Aufstellung des ASC Neuenheim
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Tore
Fehlanzeige |
Nach mehr als sieben Jahren Abstinenz treffen der ASC Neuenheim und der TSV Handschuhsheim endlich wieder in einem Ligaderby aufeinander. Frei nach Martin Luthers Kirchenlied könnte der Stadtteil-Klassiker am Reformationstag mit dem Titel "Ein feste Burg ist unser Strafraum" überschrieben sein. Denn die Schützlinge von Matthias Hohmann (ASC) und Alexander Stiehl (TSV) scheinen einen Stabilitätspakt geschlossen zu haben, gestatten kaum eine konkrete Anschlagsgefahr auf ihre Torsicherheit.
Beide Mannschaften lassen an diesem Derbytag eine Eigenschaft vermissen, die der Vater der Reformation geißelte, aber für einen wie BVB-Trainer Jürgen Klopp am wichtigsten ist: Die große Gier, der unbedingte Erfolgshunger. Und so endet das designierte Topspiel zwischen dem Tabellenzweiten aus Handschuhsheim und dem Tabellenfünften mit einer nur im ersten Durchgang einigermaßen befriedigenden Remispartie.
Der mit zwei Spitzen angetretene Gastgeber startet gegen die Blauweißen zielstrebig, druckvoll und auch mit dem nötigen Biss. Nach einem kernigen Eckball von Simon Erl köpft Neuenheims starker Rückraumspieler Andreas Roth knapp am rechten Pfosten vorbei (7.). Bei der zweiten Neuenheimer Möglichkeit nach einer flachen Hereingabe von Christoph Gebhardt wird dessen Sturmpartner Stefan Holter rusikal, aber wohl nicht elfmeterreif am Abschluss gehindert. Zwei Minuten später bittet ASC-Headhunter Stefan Holter den sicheren TSV-Keeper Alexander Willmann nach einem perfekt justierten Roth-Freistoß erneut per Kopf zu einer spektakulären Flugshow (15.).
Die Hendsemer Löwen verlassen ihren Käfig im ersten Durchgang nur selten. Dank ihres Trainers demonstrieren die Handschuhsheimer allerdings, dass sie einen gewissen Stiehl, eine klare taktische Handschrift haben und nicht ohne Grund so weit oben stehen. Kompakt, durchdacht und solide organisiert wird deutlich, warum der TSV bisher in zehn Spielen nur zehn Gegentore kassierte. Vor allem TSV-Kapitän Christoph Lipponer führt den Defensivverbund mit seiner Ballsicherheit, Ruhe und Übersicht sehr wirkungsvoll.
Und da auch die Neuenheimer Viererkette vor Torwart-Bank Benny Bolich mit Kapitän Christian Warnemann und Michael Weigel im Zentrum sowie dem für sein junges Alter unglaublich coolen, technisch versierten Sebastian Goedecke und dem eigentlichen Mittelfeldspieler Simon Erl konzentriert arbeiten, haben die Offensivreihen wenig Spaß an diesem Sonntag.
Dabei gibt es nach dem Wechsel durchaus Initiativen, den zähen Burgfrieden auf dem Platz zu stören. Wenn Neuenheims Flügelflitzer Christoph Gebhardt nach seinen Speeds auf der linken Überholspur zweimal von der Grundlinie aufgelegt statt aus spitzem Winkel selbst geschossen hätte, wäre die Null bei Hendesse wohl ins Wanken geraten.
Am Nachmittag vor Halloween ergreift die Zuschauer angesichts der haarsträubenden Ballverluste und Fehlpässe, die nicht nur dem schwer bespielbaren Rasen geschoben werden geschuldet sind, ab und zu das nackte Grausen. Das Lokalderby wird immer zerfahrener und zerfurchter - wie der Rasen, der ungefähr so viele tiefe Kerben und Unebenheiten hat wie das Furcht erregende Gesicht von Rolling Stones-Gitarrist Keith Richards.
Das erfahrene Schiedsrichter-Weißhaupt Folker Höfs (SV 62 Bruchsal) ist noch einer der Besten, auf jeden Fall aber der gelassenste und vom Fehlerteufel am wenigsten heimgesuchte Akteur auf dem Friedhof der fußballerischen Ästheten. Apropos: Herzlichen Glückwunsch, Diego Armando Maradona, zum 50. Geburtstag! Mögest Du mindestens so alt werden wie Sex & Drogs & Rock 'n' Roll-Überlebenskünstler Keith Richards (67). Auf einem solchen Geläuf ist es für eine Mannschaft, die das Spiel gestalten will und muss, natürlich schwerer als für einen Gast, der sein Heil vor allem in der Rettung der eigenen Beziehungskiste sieht.
In der Offensive wirkt das junge Löwenrudel meist zahnlos. Außer wenn ihr hoch veranlagter Zehner Moritz Link (vorher SG Kichheim) zu seinen furiosen Turbodribblings antritt. So auch in der 65. Minute, als er im ASC-Strafraum nicht ganz astrein zu Fall kommt.
Mit den spät eingewechselten Emanuel Smarsly (80.) und Patrick Helten (82.) kommt in der Schlussphase ein kräftiger Wind in den lauen Neuenheimer Angriff. Zum entscheidenden Tor reicht es allerdings - auch wegen der fehlenden Gier - nicht mehr. Bei einem Konter kurz vor dem Abpfiff wäre den Gästen aus mehr als abseitsverdächtiger Position fast noch der Siegtreffer gelungen. Doch das torlose Unentschieden spiegelt die Leistungen beider Mannschaften durchaus treffend wider.
So können die engagierten Trainer und Lehrerkollegen Alexander Stiehl und Matthias Hohmann mit der torlosen Punkteteilung letztlich gut leben. Handschuhsheim festigt mit diesem Auswärtspunkt seinen zweiten Tabellenplatz. Der Aufsteiger aus Neuenheim bleibt zumindest bis zum Montagsspiel zwischen den Verfolgern VfB Leimen und dem FC Dossenheim auf einem höchst respektablen Tabellenplatz.
Joseph Weisbrod