Aufstellung des ASC Neuenheim
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Tore
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Turbulente Nachtschicht am Harbigweg. Vier Minuten in der Verlängerung waren gespielt, als der VfB Wiesloch sich als Kreispokalsieger-Besieger fühlen durfte: Gerade hatte der 19jährige Blondschopf Nils Rogner mit einem wuchtigen Kopfball - und seinem zweiten Treffer - das 2:3 für seinen 100jährigen Jubiläums-VfB markiert. Doch wie schon nach dem 0 :2-Rückstand im ersten Duchgang schaffte der Titelverteidiger mit einer kollektiven Ebergieleistung das Break. Trotz Unterzahl - Kampflitauer Vaidatos Neverauskas sah nach einem harmlosen Foul die gelbrote Karte - gelang Stefan Holter, ebenfalls mit seinem zweiten Tor, der hochverdiente 3:3-Ausgleich. Den Elfmeter-Showdown gewann der ASC Neuenheim mit fünf perfekt verwandelten Volltreffern am Ende fast schon traditionell für sich.
Doch zurück in die Zeit, als es noch taghell war bei diesem faszinierenden Pokalthriller. 10. Minute: ASC-Torwart Bernd Pohr, der dieses Match fast zwei Stunden später mit seiner letzten Großtat entscheiden sollte, pariert einen Flachschuss mit einer prächtigen Fußabwehr. 11. Minute: ASC-Stürmer Bobie N'Delly schießt auf der Gegenseite nach einem Hiphspeed-Dribbling knapp vorbei. 14. Minute: Wieslochs Zehner Tomislav Jurkovic aalt sich im Strafraum durch und tunnelt den schuldlosen Torwart Bernd Pohr zur Gästeführung. 20. Minute: Nach einer Kopfballvorlage von ASC-Abwehrsäule Amardeep Josan kratzt ein VfB-Verteidiger den Schuss von Stefan Holter gerade noch von der Torlinie. 21. Minute: Stefan Holter passt nach einem furiosen Alleingang durch den Strafraum vor die Hütte, wo Bobie N'Delly den Ball über die Linie grätscht. Der überforderte Schiedsrichter erkennt den Treffer wegen angeblicher Abseitspositon nicht an. 29. Minute: Der ansonsten bärenstarke Amardeep Josan schießt im Strafraum den verdutzten VfB-Stürmer Nils Rogner an, von dessen Rücken der Ball unhaltbar ins NeuenheimerTor springt.
Nach diesem Vorsprung bedruckten die Wieslocher Verantwortlichen im Geiste vielleicht schon T-Shirts mit dem Text: VfB Wiesloch Kreispokalsieger-Besieger 2007. Aber der vermeintliche Kreispokal-Sieger- Besiegte schlägt in beeindruckender mannschaftlicher Ge- und Entschlossenheit zurück. 36. Minute: Plötzlich fällt dem - trotz des unerbittlichen Old Terrier Frank Scheuber (37) - nie auszuschaltenden Bobie N'Delly der Ball vor die Füße. Doch der kleine Wirbelflitzer haut das Geschenk über den sperrangelweit offenen Kasten. 40. Minute: Wieder spielt Bobie N'Delly eine Hauptrolle. Dieses Mal setzt er Stefan Holter mit einem feinen Zuspiel frei. Holter dit "Merci, Bobie!", umkurvt den VfB-Torhüter und jagt die Kugel hoch und mit Schmackes ins Netzwerk. Den vielen Chancen nach hätte der ASC zur Halbzeit deutlich führen können, ja müssen.
Nach der Pause legte das Team von Trainer Dr. Holger Zimmer noch einen Zahn zu. Mit dem aus den Semesterferien ins Team zurück gekehrten Patrick Helten und dem ebenfalls zum Wiederanpfiff eingewechselten Fouad Haddad bekam das Neuenheimer Angriffsspiel frische Impulse und neue Dynamik. Foaud Haddad ist es auch, der die Wieslocher Abwehr mit einem rasiermesserscharfen Pass seziert und den in die Spitze gestarteten Satnam Gill bedient. Der ballgewandte Neuenheimer Außenverteidiger verwandelt das Zuspiel im Stile eines Klasse-Torjägers mit einem eleganten Innenrist-Schuss ins lange Eck. Der hoch verdiente Ausgleich zum 2:2! Der am Spielfeldrand kräftig mitfiebernde erkrankte ASC-Knipser vom Dienst, Timogol Mifka, hätte es nicht besser machen können.
Während der VfB Wiesloch nur noch selten, zweimal aber gefährlich vor das Pohr-Tor kam, wollte der ASC die Entscheidung noch während der regulären Spielzeit. Dieses Vorhaben sollte auch um ein Haar gelingen. 70. Minute: Nach einem Powersolo horizontal zum Strafraum wird Patrick Helten plötzlich vertikal. Er zieht aus etwa 20 Metern knallhart ab. Seine Mittelstreckenrakete detoniert am linken Pfosten. (Kleiner Einschub: Am nächsten Wochenende findet in Münster die Fußballweltmeisterschaft im Weitschießen statt. Vielleicht sollte Patrick Helten da mitmachen. Die nötige Schusskraft und -technik hat der Junge jedenfalls). Kurz darauf wurde Helten ruppig von den Beinen geholt. Der mit seinen Entscheidungen in beiden Lagern für Kopfschütteln sorgende Schiedsrichter zeigte nur gelb für dieses überharte Einsteigen, das für den Auftritt der fußballerisch durchaus kultivierten Gäste leider nicht untypisch war.
In der Verlängerung köpfte Nils Rogner - siehe Einleitung - das 2:3 für die Gäste (94.). Dann schickte der Schiedsrichter den rastlosen Neuenheimer Nomaden Vaidatos Neverauskaus in die Kurische Nehrung. Weil ASC-Trainer Dr. Holger Zimmer die Verhältnismäßigkeit der Schiri-Entscheidungen zu Recht in Frage stellte, schickte ihn dieser flugs hinter die Bande. Schließlich übte der Fußballgott doch noch Gerechtigkeit. 110. Minute: Stefan Holter exekutiert mit cooler Konsequenz den 3:3-Ausgleich und die Teams zum Elfmeter-Schießen.
Bei diesem Nervenkrieg sind die Neuenheimer bekanntlich absolute Spezialisten. Die SG Wiesenbach (im Kreispokalfinale 2006/2007), die SG Lobenfeld und - im BFV-Pokal - der TSV Viernheim können ihr eigenes "Lied vom Pokaltod" davon singen. Und so kommt es auch an diesem herbstlichen Septemberabend: Die Neuenheimer Vollstrecker Patrick Helten, Fouad Haddad, Satnam Gill, Friedrich Kley und Amardeep Joshan verwandeln alle fünf Elfmeter souverän und präzise wie ein Schweizer Uhrwerk. Und Elfmetertöter Bernd Pohr, bereits gegen Viernheim das entscheidende Zünglein an der Waage, hält den letzten VfB-Versuch glänzend. Und verschwindet Sekunden später unter einer wild wogenden, überglücklichen blaugelben Spieler-Pyramide.
Ende gut, alles gut: In einem mitreißenden Kreispokal-Viertelfinale schlägt der Titelverteidiger den starken Ligakonkurrenten VfB Wiesloch mit 2:2 nach der regulären Spielzeit, 3:3 nach der Verlängerung und 8:7 nach Elfmeterschießen dank einer imposanten Team- und Taktikleistung mehr als verdient und steht am 1. November 2007 erneut im Halbfinale des Heidelberger Kreispokals. Alle Achtung!
Joseph Weisbrod