Wo König Fußball noch regiert

Der ASC Neuenheim beweist, was auch in schwierigen Zeiten für Amateurvereine möglich ist

Von Wolfgang Brück

Heidelberg. Hansi Krieg sah sich kürzlich zu einem Hilferuf veranlasst. Weil es nicht genügend Schiedsrichter gibt, fürchtet der Chef der Heidelberger Unparteiischen, müssten künftig Spiele abgesagt werden. Trainer schmeißen frustriert hin, weil an den Übungsstunden nur noch eine Handvoll Spieler teilnehmen. Immer mehr Vereine müssen zusammen gehen, um überhaupt noch kicken zu können. Trotzdem häufen sich die Abmeldungen.

Notstand allerorten im einst blühenden Reich von König Fußball. RNZ-Autor Christoph Ruf glaubt: "Wenn Sportplätze verwaisen, wird der Fußball an gesellschaftlicher Bedeutung verlieren."

Aber es gibt Hoffnung. Und das ausgerechnet in Heidelberg, wo die Professoren und Doktoren angeblich mit dem Fußball nichts am Hut haben.

Im Neuenheimer Feld, in Sichtweite der Universität, tobt der Bär. Es wimmelt und wuselt auf dem Fußball-Campus. Für 3,5 Millionen Euro, finanziert von Stadt, Land und der Dietmar-Hopp-Stiftung, sind zwei Kunstrasenplätze und ein Kleinspielfeld entstanden. "Seitdem hat sich die Zahl unserer Nachwuchs-Fußballer von hundert auf dreihundert verdreifacht", berichtet Dr. Werner Rupp, Vorsitzender und Gründungsmitglied des ASC Neuenheim.

32 bestens ausgebildete Trainer unterweisen beim boomenden Landesligisten zehn Jugend- und zwei HerrenMannschaften. Bei den Acht- bis Zehnjährigen ist der Andrang so groß, dass drei Teams gerade ausreichen. Auch im Männerbereich wurde über eine dritte Mannschaft diskutiert.

Der ASC Neuenheim erlebt einen rasanten Aufschwung. Der Stadtteil-Verein ist ein Musterbeispiel dafür, was möglich ist, wenn gute Bedingungen, eine engagierte Führung und – dank Joseph Weisbrod – ausgezeichnete Medienarbeit zusammenwirken.

Vor dem Spiel am letzten Sonntag in Plankstadt sei der ASC Neuenheim in der Stadionzeitung als "Spitzen-Mannschaft der Landesliga" bezeichnet worden, berichtet Dr. Rupp. Das freut den vierfachen Vater und promovierten Chemiker, der in Wilhelmsfeld wohnt und für ein Schweizer Unternehmen arbeitet. Doch ein denkbarer Aufstieg in die Verbandsliga hat nicht die höchste Priorität. "Wir wollen langsam wachsen", sagt der 62-jährige Vorsitzende, der auch Stellvertreter von Boss Johannes Kolmer im Fußballkreis ist, "unser erstes Anliegen ist es, kleinen und großen Heidelbergern die Möglichkeit zu geben, Fußball zu spielen."

Die Erfolge stellen sich von alleine ein. Nicht nur die Landesliga-Mannschaft hat sich im oberen Tabellendrittel etabliert Die Reserve führt derzeit die Tabelle der Kreisklasse A an. Sie darf auf den Aufstieg in die Kreisliga hoffen, über viele Jahre die Heimat der Ersten. Die A-Junioren behaupten sich als Aufsteiger in der Landesliga und sorgten wie auch die C-Junioren im Pokal für Furore.

Die D-Junioren wurden Kreismeister und badischer Vizemeister im Futsal, einer Variante des Hallenfußballs. Damit qualifizierten sie sich fürs Landesfinale am Samstag, ab 11 Uhr, in der Waldseehalle in Forst. "Für die Jungs ist es eine prima Sache, gegen den VfB Stuttgart spielen zu dürfen", freut sich Dr. Werner Rupp. Außer dem Nachwuchs des Landesligisten wird der badische Fußballverband durch die TSG Hoffenheim und den Karlsruher SC vertreten.

Bei den Kleinen ist der Anatomie-Sportclub auf Augenhöhe mit den Großen. Und hat – wir räumen es reuig ein – eine weit zurück liegende Überschrift in der Rhein-Neckar-Zeitung längst widerlegt: "Anatomen am Skalpell geschickter als am Ball."

Rhein-Neckar-Zeitung vom 09.03.2018, Seite 26