Der DFL-Angriff auf das Sonntagsreservat vertreibt auch die letzten Mohikaner von den Fußballplätzen - Wo bleibt der Prostest von der Basis?
Ganz so locker wie der BFV-Präsident sehen die Ehrenamtlichen in den BFV-Mitgliedsvereinen den dreisten DFL-Angriff auf das letzte Reservat der Amateure am Sonntag sicher nicht. Die von Ronnny Zimmermann angemahnte "Flexibilität" kann ja nicht so weit gehen, wie ich es in einem Spielbericht mal zugespitzt habe. Anrufer beim Vorstand: "Könnten Sie mir bitte sagen, wann der ASC Neuenheim sein nächstes Heimspiel hat?" Rückfrage: "Ja, wann könnten Sie denn?".
Mit der DFL-Entscheidung, ab der Saison 2009/10 an den "heiligen" Sonntagnachmittagen um 13.30 Uhr Bundesligaspiele auszutragen, werden jedenfalls auch die wenigen Unentwegten von den Fußballplätzen vor die Flachbildschirme bzw. in die Stadien getrieben.
Als glücklicher Hoffe-Dauerkartenbesitzer habe ich den Spagat "Samstag Bundesliga, Sonntag Kreisklasse" bisher ganz gut hingekriegt. In der nächsten Saison werde wohl nicht nur ich einen kleinen Gewissenskonflikt haben. Die Stadiongänger sind allerdings nur eine Minderheit. Wenn z. B. am Sonntag um 13.30 Uhr das Topspiel Bayern München gegen 1899 Hoffenheim live im Pay TV zu sehen ist: Wie werden die letzten Mohikaner auf den Amateur-Fußballplätzen sich verhalten? Die meisten werden sich vor die Glotze hocken, anstatt nach Mauer, Gauangelloch, Wieblingen oder sonstwohin zu fahren. Und so mancher Kreisklassenspieler wird plötzlich erkranken, wenn sein Lieblingsverein zur selben Zeit wie er antreten sollte.
Da klingt auch das vom BFV-Präsidenten in Achim Wittichs RNZ-Artikel bemühte "Zauberwort Flexibilität" wie Hohn in den Ohren der ehrenamtlichen Vereinsaktivisten. Welche Ausweichmöglichkeiten haben denn die Fußballvereine wirklich? Die meisten Anlagen sind während der Woche durch den Trainingsbetrieb, am Samstag durch Jugendspieltage, voll ausgelastet. Wenn Flexibilität heißt, an einem Dienstag z. B. ein Jugendtraining zugunsten eines Kreisklassenspiels ausfallen zu lassen, kann Herr Zimmermann das wohl nicht gemeint haben.
Und wie sollen die Amateurvereine bitteschön am alltäglichen "Fußball-TV Total"-Angebot terminlich "flexibel" vorbei dribbeln? Von Montag bis Sonntag gibt es kaum einen Abend, an dem nicht irgendeine Begegnung live im Fernsehen gezeigt wird. Ich hätte da übrigens einen flexiblen Vorschlag für meinen Verein: Der ASC Neuenheim könnte sein Heimspiel - z. B. gegen BSC Mückenloch - als Midnight-Party deklarieren und - nach dem Aktuellen Sportstudio am Samstag - um null Uhr unter Flutlicht austragen. Oder an einem Werktag morgens um sechs Uhr als Arbeits-"Frühstück erster (Kreis-)Klasse".
Anstatt die am Wochenende streikenden Ruhrpottvereine zu belächeln, sollten wir uns fragen, ob wir im Süden nicht endlich aus dem Dornröschenschlaf erwachen sollten, bevor uns auch noch die Treuesten der Getreuen den Rücken kehren. Ein Streikziel könnte heißen: Wenn die DFL schon ihren amateurfeindlichen Sonntagstabubruch nicht aufgibt, sollen die Bundesligaclubs ein paar Prozent aus den üppigen TV-Einnahmen als Entschädigung (auch für die Nachwuchsausbildung) direkt in die klammen Kassen der Vereine abführen. Aber wovon träume ich!
Es wäre jedenfalls schön, wenn der gelernte Rechtsanwalt und Ex-Bomber des VfB Wiesloch Ronny Zimmermann nicht das Goldene Kalb der DFL-Profitmaximierung, sondern vor allem die Interessen seiner finanziell minderbemittelten "Mandanten" in den badischen Mitgliedsvereinen vertreten würde. Das sollte schließlich die Hauptaufgabe im Stellenprofil eines BFV-Chefs sein.
Joseph Weisbrod
ASC Neuenheim 1978 e. V.