Der ASC im besten Fußballalter

Ein Streiflicht zum 25. Geburtstag des Anatomie-Sportclubs Neuenheim -
"Marshallplan" für die Jugend -
Blutjunges Bezirksligateam

Heidelberg. Im heißen Gründungssommer 1978 diagnostizierte die "Rhein-Neckar-Zeitung": Die Heidelberger Anatomie ist "vom Fußballfieber befallen". Der Leiter dieses infizierten Instituts, ein Fußballspätberufener namens Prof. Dr. Wolf-Georg Forssmann, und seine Getreuen wollten sich nicht mit dem akademischen Lorbeer des Titels eines Heidelberger Universitätsmeisters zufriedengeben. Sie waren begierig danach, im organisierten Wettkampf um Punkte und Tabellenränge ihre fußballerischen Kräfte zu messen. Nicht bloß nach den Miniröcken des Campus, nein, nach den verschwitzten Trikots der Kreisligaspieler aus ehrenwerten Fußballdörfern wie Frauenweiler, Balzfeld oder Rettigheim - letztere übrigens wieder Klassenkameraden in der Bezirksliga - stand ihnen der Sinn.

Die Gründungsmitglieder des folgerichtig Anatomie-Sportclub (ASC) Neuenheim 1978 e. V. getauften Vereins - überwiegend Assistenten, Doktoranden und Medizinstudenten - müssen ein unerschütterliches Selbstwertgefühl gehabt haben. Denn zwei Jahre lang gab es nur auf die Mütze. Und die RNZ titelte süffisant: "Anatomen am Skalpell sicherer als am Ball." Immerhin wurde sogar das Fernsehen aufmerksam. Der Südwestfunk berichtete in "Sport unter der Lupe" über den kessen Intelligenzler-Club, der seine Spiele zunächst auf dem Hartplatz des Bundesleistungszentrums in Heidelberg-Neuenheim austrug, bevor er auf der Anlage am Harbigweg im Sportzentrum bis heute seine neue, wegen der Distanz zum "Geburtsort" allerdings keineswegs ideale Heimat fand.

Multikulti? Für den ASC nichts Neues. So trugen in der Pionierzeit u. a. Afrikaner, Amerikaner, Griechen, Italiener und Jordanier das Neuenheimer Zebra-Trikot. Probleme mit dem kultivierten Kombinationsspiel? Zugegeben: Die hatten so manche ASC-Pioniere. Es gab aber auch begnadete Straßenfußballer wie den Griechen Costas Toulakis. Der liebkoste den Ball und zelebrierte den Doppelpass, vor allem den mit sich selber. Manchmal pfiff er mitten im Spiel durchdringend aus dick aufgeblähten Backen. Oft pfiff er jedoch wie einige seiner Teamkollegen - zum Leidwesen der mitunter der Verzweiflung nahen Trainer - auch auf teutonische Tugenden wie Pflichtbewußtsein und Anstoßzeiten.

Der Libero hieß Dr. Werner Rupp und lenkte damals wie heute die Geschicke des Vereins. Anfangs als zweiter Mann an der Seite von Forssmann, seit über 22 Jahren als erster Vorsitzender. Zunächst auf dem Platz, dann als umsichtiger "Mister ASC" hat Rupp, der auch Vize-Vorsitzender des Fußballkreises Heidelberg ist, maßgeblich dafür gesorgt, dass aus dem anfänglichen Rote-Laterne-Träger rasch ein respektierter Wettbewerber im Heidelberger Kreisfußball wurde. Pünktlich zum 10jährigen Bestehen konnte der ASC auf den ersten großen Triumph in der Vereinsgeschichte anstoßen: Die Meisterschaft in der Saison 1987/88 und den Aufstieg in die Heidelberger Kreisliga A. Kopf und Seele dieser Meistertruppe war eine nordbadische Fußball-Legende: Arthur Wirth, einer der "Helden von Eppingen", die den berühmten HSV aus dem DFB-Pokal warfen.

Doch nicht nur durch die Leistungen der Seniorenmannschaften erwarb der junge Verein sich im Fußballkreis Heidelberg Achtung und Anerkennung. Die Verantwortlichen erkannten früh die Bedeutung einer systematischen Nachwuchsarbeit. Bereits 1979 widmeten der Gründungspräsident und heutige Ehrenvorsitzende Wolf-Georg Forssmann und Jürgen Metz, ebenfalls Professor und langjähriger Vizepräsident des Badischen Fußballverbandes, sich höchstpersönlich der aktiven Nachwuchsarbeit und trainierten die erste Neuenheimer D-Jugend. 1985 wurde der ASC mit dem Sepp-Herberger-Preis "für eine besonders bemerkenswerte Jugendarbeit" ausgezeichnet.

Seit zehn Jahren gehört der ASC Neuenheim zu den wenigen Vereinen, die in fast allen Jugendklassen vertreten sind. Die Jugendabteilung kann auf eine stattliche Anzahl von Meisterschaften, Kreispokalsiegen, Endspielteilnahmen um die Badische Meisterschaft, Turniererfolge und internationale Auftritte wie etwa in Heidelbergs Partnerstädten Montpellier und Kumamoto verweisen. Doch als der TSV Handschuhsheim die erfolgreiche Spielgemeinschaft im Jahr 2000 überraschend kündigte, begann für die ASC-Jugend im wahrsten Sinne des Wortes die "Stunde Null." Und damit der "Marshallplan", wie ASC-Chef Rupp die beiderseits glückliche Liaison mit den im Rhein-Neckar-Raum stationierten fußballbegeisterten Amerikanern nannte.

Die etwa 30 US-Kids der "ASC-Tornados" stellen fast ein Drittel der rund 100 Kinder und Jugendlichen, die von Montag bis Freitag auf dem Sportgelände am Harbigweg betreut werden. Ein unspektakulärer, aber nicht unwesentlicher Beitrag zur vielbeschworenen (und -geprüften) deutsch-amerikanischen Freundschaft in der Region. Auch in der soeben begonnenen Saison 2003/2004 mischt der ASC Neuenheim mit Jugendteams in fünf Alterskategorien im Wettbewerb mit.

Zurück zu den "Erwachsenen". Die Fieberkurve des jungen Vereins zeigte weiter nach oben. Im gar nicht so verflixten 13. Jahr seines Bestehens schaffte der ASC seine zweite Meisterschaft, dieses Mal in der Kreisliga A, und stieg 1991 in die Bezirksliga auf. Der Sprung in die Landesliga Rhein-Neckar und damit der Aufstieg zur zweiten Macht, nach dem Verbandsligisten SGK Heidelberg-Kirchheim, im Heidelberger Fußballkreis gelang mit dem jungen Spielertrainer und A-Lizenz-Inhaber Holger Zimmer.

Der Chemiker und Toxikologe fand an Pfingsten 1998 für seine Doktorarbeit reichlich Probanden. Sie befasste sich nämlich mit dem Thema "Neue Verfahren zum Nachweis von Stoffwechsel-Produkten des Alkohols." Denn pünktlich zur 20-Jahre-Jubiläumsfeier machte der ASC mit einem 5:2-Sieg über den SV Waldhilsbach sein Bezirksliga-Meisterstück. Zwei Tage später, am Pfingstmontag 1998, holte der ASC Neuenheim mit einem geschätzten Durchschnitts-Blutalkoholgehalt von 1,0 Promille - Spuren der exzessiven Jubiläums- und Meisterschaftsfeier - auch noch den Kreispokal durch einen 1:0-Sieg beim VfB St. Leon.

RNZ-Sportreporter Wolfgang Brück fasste den Neuenheimer Triumph am 2. Juni 1998 in folgende Schlagzeilen: "Der Aufstieg der Intelligenz-Bolzer: Die Anatomen aus Neuenheim operierten messerscharf. Bezirksliga-Meisterschaft und Kreispokalsieg." Doch die sportliche Ernüchterung ließ nicht lange auf sich warten: Nach dem ersten Abstieg in der Vereinsgeschichte ein Jahr danach fand der ASC sich plötzlich im Bezirksliga-Klassenkampf wieder.

Es gab aber auch Lichtblicke: In der Saison 2000/2001 krönte die Reserve mit ihrem Trainer Thomas Knödler ihre konstante Spitzenleistung mit dem Meistertitel. In der noch jungen Saison 2003/2004 haben die treuen ASC-Fans wieder viel Spaß an ihrer "Ersten". Mit einer blutjungen Mannschaft - nicht weniger als drei Achtzehnjährige gehören zum Stamm - und erfrischendem Offensivfußball sorgt der ASC unter der sportlichen Leitung von Bernd Sator und Co-Trainer Thomas Knödler derzeit in der Heidelberger Bezirksliga für Furore.

Es gäbe noch viel zu erzählen über den ASC Neuenheim. Über die mannigfachen Aktivitäten der AH-Oldies, deren harter Kern mit dem Verein in die Jahre gekommen ist. Über den vom Verein initiierten "Heidelberger Mediziner-Fasching", der in seinen besten Zeiten an die 10.000 närrische Gäste in die Zentralmensa im Neuenheimer Feld lockte. Oder über die ASC-Website, die seit ihrem Start im April 1999 bereits rund 65.000 Besucher auf ihren 4.000 (!) Content-Seiten mit 1.000 Bildern und fast 400 Gästebuch-Einträge aus aller Welt - u. a. Neuseeland, Argentinien, Kanada, Australien und USA - verzeichnet. Eine von vielen lobenden Stimmen: "Vielen Dank für die aktuellen Ergebnisse und Tabellen, die ich auf meiner Indien-Reise durch Euch bekommen habe."

Webmaster Werner Rehm, ein SAP-Entwickler, ist der fürsorgliche "Vater" dieser bei einem Wettbewerb des Sportkreises Heidelberg preisgekrönten Homepage. Seiner Arbeit ist es hauptsächlich zuzuschreiben, dass der Domain-Name www.asc-neuenheim.de weit über den Verein hinaus eine Top-Adresse und heiß begehrte Informationsquelle für viele Fußball-User geworden ist. Der regelmäßige ASC-Newsletter (kann kostenlos abonniert werden!) verbindet darüber hinaus die weit verstreuten Mitglieder (insgesamt etwa 300) und Fans und hält sie über das pulsierende Geschehen bei "ihrem" Anatomie-Sportclub das ganze Jahr über auf dem Laufenden.

Am 27. September wird der 25. Geburtstag gebührend gefeiert. An diesem Tag erscheint auch die von Werner Rehm zusammengestellte Jubiläumsschrift mit zahlreichen Fakten, Anekdoten und Bildern über den ASC Neuenheim. Ein Highlight des Jubiläumsprogramms: Beim Traditionsspiel zwischen dem vom Gründungs- und Ehrenpräsidenten Wolf-Georg Forssmann betreuten ASC-Allstar-Team und den ASC-Oldies werden die Cracks der ersten Stunde beweisen wollen, dass sie mit dem Ball doch nicht weniger geschickt umzugehen verstehen wie mit dem Skalpell.

Zum Beispiel der damalige Medizinstudent und heutige Professor Markus Büchler, Ärztlicher Direktor der Chirurgischen Universitätsklinik Heidelberg. Büchlers Spitzname in seiner aktiven Zeit: Bonhof - nicht nur wegen der äußeren Ähnlichkeit mit dem 74-er Weltmeister. Abends geht dann in O'Reilly's Irish Pub in der Neuenheimer Heimat des Vereins die Jubiläumspost ab. Happy Birthday, ASC Neuenheim!

Joseph Weisbrod