Aufstellung des ASC Neuenheim
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Tore
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Der Neuenheimer Ikarus kam der Sonne zu nahe und stürzte - den Sieg unmittelbar vor Augen - in den Abgrund einer grausamen, weil nicht mehr für möglich gehaltenen Niederlage. Die Flügel, die das junge Team zum dritten Sieg und damit zum Platz am Tabellengipfel führen sollten, waren leider aus Wachs und schmolzen gegen Ende dieser Partie abrupt dahin. Winzige fünf Minuten trennten den ASC vom verdienten Auswärtssieg, als der VfB Wiesloch innerhalb von einer Minute den Turnaround schaffte und drei ebenso wichtige wie glückliche Punkte erbeutete.
Dabei hatte es für die selbstbewussten Gäste mit dem Superlativ des schnellsten Tores der Saison begonnen. Gleich nach dem Anpfiff ergatterte Julian Conrad sich das noch jungfräuliche Spielzeug und zog hart wie Stalin ab. Sein Torpedo krachte an den rechten Pfosten und prallte ins Feld zurück. Der mitgelaufene ASC-Mittelfeldjäger Thomas Pasch hatte den nötigen Killerinstinkt und schob die Kugel mit dem Innenrist zum 0:1 ins Wieslocher Netz. Da waren gerade mal fünfzehn Sekunden "gespielt".
Auf den höchsten Höhepunkt folgte aber bereits fünf Minuten später - hitzige Grüße von Tante Käthe - der tiefste Tiefpunkt. Sandhausen-Rückkehrer Antonino Bonanno, der - nomen es omen - auf ein "gutes Jahr" beim VfB hofft, exekutierte in Inzaghi-Manier das frühe 1:1. Zwar hatte der ASC durch einen Kopfball von Daniel Westerwald (15.) und eine Direktabnahme von Andreas Bardelli nach einem Freistoß (27.) die Chance auf die erneute Führung. Doch die gelang kurz darauf dem Gastgeber in der weißen Gestalt von Bedri Bafkiari nach einem sensiblen Heber über den machtlosen ASC-Torwart Markus Gamer (28.)
Neuenheim spielte unbeeindruckt weiter mutig nach vorne. Ein Tor wie ein Gedicht war der Ausgleich. "Forza" Andreas Bardelli spielte nach einem Turbo-Antritt am Mittelkreis auf David Keller, der den wunderbaren Doppelpass vollendete. Der elegante Bardeli setzte den fußballerischen Dialog fort und passte genau in den Lauf des in die Spitze gestarteten Mitspielers. David, der wieder einmal wie ein Goliath auftrat, versenkte die Kugel mit der Abgezocktheit eines Pokerkönigs im VfB-Kasten (33.)
Nach dem Kabinengang nahm ASC-Stürmer Timo Mifka seinem Verteidiger blitzschnell die Vorfahrt und zog aus der Drehung ab. Knapp über die Latte (47.). Der Vollmond über der schönen Wieslocher Sportanlage blickte weiterhin gnädig auf ein szenenreiches Bezirksligaspiel hinab. In der 55.Minute versilberte Julian Conrad ein Solo mit einem kernigen Schuss an die Wieslocher Querlatte. Nach weiteren ASC-Möglichkeiten markierte Timo Mifka in der 73. Minute aus einem Guerillakampf im Strafraum heraus quasi auf dem Hosenboden das 2:3 - und damit bereits seinen fünften Saisontreffer im dritten Spiel.
Die Neuenheimer Fans wähnten sich schon bei den zwölf Jungfrauen in Allahs Himmelbett, als das Unfassbare doch noch geschah. Womit wir - siehe oben - bei den durch Wachs zusammen gehaltenen Flügeln des Ikarus wären. Die ASC-Abwehr "wachste" sozusagen über sich hinaus und erwies sich für den VfB als allzu leicht modellierbar. Innerhalb von einer Minute gelang Wiesloch die nicht mehr erwartete Wende. Sekan Kaymaz (85.) und Antonino Bonanno mit seinem zweiten Tor (86.) aus abseitsverdächtiger Position brachen dem ASC brutal das Rückgrat in dieser verrückten Begegnung. Die ASC-Helden waren am Boden zerstört und fühlten sich um den Lohn einer über weite Strecken guten, ja besseren Leistung gebracht. Zum Abschluss Futter für das Phrasenschwein? Bitte sehr: Fußball kann so grausam sein. Aber auch so schön. Und darum lieben wir ihn - ob in Island, Rudiland oder eben in Wiesloch.
Trotz der ersten Saisonniederlage bleibt der ASC auf heftigem Schmusekurs mit der Tabellenspitze. Wichtiger aber ist, dass die junge Mannschaft des Trainerduos Bernd Sator und Thomas Knödler einen Fußball spielt, bei dem es einfach Spaß macht zuzuschauen. Hoffentlich auch am Sonntag beim Heimspiel gegen den Aufsteiger VfL Heiligkreuzsteinach.
Joseph Weisbrod