Wo Superstars und Nonnen tanzen

Mediziner-Fasching zurück in Heidelberg:
Rund 2000 junge Menschen feierten in der "Halle 02"

"Schlumpfig" gut: Szene auf dem Mediziner-Fasching in der "Halle 02". Rund 2000 junge Menschen kamen an den beiden Abenden.
Foto: Alex

Von Alexander Wenisch

Der Mediziner-Fasching - das Original - ist zurück in Heidelberg. Nachdem die studentische Großparty im vergangenen Jahr im Exil des Mannheimer "Broadway" veranstaltet werden musste, haben die Organisatoren des Akademischen Sport Clubs Neuenheim (ASC) für die aktuelle Saison in der "Halle 02" eine neue Heimat gefunden. Rund 2000 junge Menschen kamen zu den beiden Abendveranstaltungen am Wochenende.

Der "Mönch" hat kein schlechtes Gewissen. "Warum, meine Brüder sind doch bekannte Brauer", sagt er nonchalant, trinkt sein Tequila-Bier aus und bestellt sich an der Bar ein neues. Und wie ist das mit den Frauen? Jene Nonne beispielsweise, die er an der Hand hält? Auch hier gibt sich der vermeintlich Geistliche weltlich: "In dieser Nacht ist das Zölibat abgeschafft." Die beiden verschwinden in Richtung Tanzfläche.

An deren Rand stehen Jan und Steffen und halten sich an ihren Cocktails fest. Mit festem Blick mustern sie die Mädels, die sich da vorn zur Musik bewegen. Ab und an stecken die beiden die Köpfe zusammen, tauschen sich über die gebotenen visuellen Reize aus. "Klar doch, wir sind wegen der Mädels hier", deutet Steffen, der sich als Scheich verkleidet hat, an, wie der Abend im Idealfall enden soll. "Aber erst müssen wir noch was trinken, bevor wir uns trauen, Mädels anzusprechen." Das Outfit alleine, obgleich Reichtum suggerierend, reiche da nicht aus.

Das bestätigen Caro und Nadine. Noch tanzen die beiden Studentinnen zusammen - doch das soll sich noch ändern. Auch sie sind auf der Suche nach "knackigen Jungs". Wer die beiden Schwarzhaarigen beeindrucken will, "muss aber gut tanzen können". So wie beispielsweise jener junge Herr, der heute den Superstar macht. Weil man ihm dieses Attribut nicht auf den ersten Blick ansieht, und weil Deutschland noch nicht weiß, dass es ihn sucht, hat er sich in Anspielung auf die TV-Staffel ein passendes Pappschild umgehängt. Kann also nichts mehr schief gehen, denn die regionale Cover-Combo "Zap-Gang" bietet die Vorlagen für seinen "glamourösen" Fastnachtsstar-Auftritt. Die Band interpretiert Robbie Williams "Let me entertain you". Als sei dies das Motto des Abends, stürzen sich Jan und Steffen von der einen, Nadine und Caro von der anderen Seite in die tanzende Menge - nutze die Nacht.

In einem Nebenraum hinter der Bar sitzt Werner Rupp. Der Vorsitzende des ASC Neuenheim ist Mitorganisator des Mediziner-Faschings seit Stunde null. Doch was das junge Publikum an der Fete fasziniere, so dass es jedes Jahr in Massen strömt, könne er nicht sagen. Konfrontiert mit den Gesprächen an der Tanzfläche über Alkoholisches und Zwischenmenschliches lacht Rupp nur. Das ist das einfache Erfolgsrezept: gute Musik, gute Getränke, schöne Menschen in Partylaune.

Seit 1984 funktioniert das so. Legendär seien die ersten Partys, schwelgen Rupp und sein Mitstreiter Joseph Weisbrod in Erinnerungen. Die beiden sind nicht mehr in dem Alter, in dem man sie auf Studentenfeten vermutet. Aber sie haben sichtlich Spaß daran, wenn die Gäste Spaß haben: "Unser Publikum ist der Star", konstatiert Weisbrod. Ihre ersten Partys hatte der ASC in der Zentralmensa im Neuenheimer Feld gefeiert. "5000 Gäste waren da in den ersten Jahren regelmäßig bei uns", erzählt Rupp. Pünktlich zum Zehnjährigen der Veranstaltung 1994 wurde dem Verein aber vom Studentenwerk gekündigt. Dieses feiert seither sein eigenes Fest - das, wohl um auf die Ursprünge beim ASC anzuspielen, "Mediziner-Faschings-Party" benannt wurde.

Seither ist die original Fastnacht für angehende Ärzte wohnsitzlos, wurde mal in der Stadthalle, mal in Eppelheim gefeiert. Im vergangenen Jahr musste der ASC gar in die Mannheimer Großdisco "Broadway" ausweichen. "Das war nicht ideal, weil Heidelberg einfach unsere Heimat ist. Dass wir heute in der Halle 02 sind, ist daher super." Doch kaum hat der Verein hier eine neue Halle gefunden, muss er womöglich zur nächsten Saison wieder auf die Suche gehen. Laut aktuellem Vertrag muss die zum Kunst-Club renovierte Industriebrache am alten Güterbahnhof Ende des Jahres schließen. Ob die Betreiber, das "Atelier Kontrast", Verlängerung erhalten, ist noch nicht bekannt. Daher resümiert Rupp auch: "Für dieses Jahr ist das Experiment in der Halle mehr als geglückt." Ideal wäre für den Verein aber, wenn er seinen Fasching wieder an den alten Wurzeln feiern könnte: in der Zentralmensa im Feld.