Von Harald Gaubatz
Rohrhof. Seit vergangener Woche ist das "Experiment", wie sich Hans
Hufnagel ausdrückt, beendet. Der SV Rohrhof hat seine Mannschaft aus
der Fußball-Landesliga zurückgezogen. Der erste Vorsitzende
wirkt nicht einmal besonders betroffen von den Ereignissen der letzten
Monate. Bei der vorletzten Partie, zu der die teure Startruppe des Aufsteigers
noch antrat, dem Spitzenspiel des Dritten Rohrhof gegen den Zweiten SG
Kirchardt "sind auch nur 150 Zuschauer gekommen", gibt Hufnagel zu bedenken,
"da fragt man sich schon: Ist es das alles überhaupt wert?"
Andreas Stärk war die Amateurkickerei offensichtlich einiges wert.
Rund 340 000 Mark wird gemunkelt, habe die Aufstiegssaison in der Bezirksliga
gekostet. Und für die Landesliga wurde die Mannschaft noch mal kräftig
verstärkt. Neben den Aufwandsentschädigungen für die meist
ober- und verbandsligaerfahrenen Spieler verschlang auch das professionelle
Umfeld (zum Beispiel Trainings- und Ausgehanzüge sowie Schuhe und
Sportklamotten für drei Mannschaften, Trainingslager vor der Saison,
Busmiete für Auswärtsfahrten) jede Menge Geld.
"Über Vereinskonten", versichert Hufnagel allerdings,
"ist da nichts gelaufen." Fürs nötige Kleingeld sorgte Stärks
Immobilienuntemehmen, die "sivas GmbH". Dort läuft derzeit ein Prüfungsverfahren
hinsichtlich eines Konkurses, deshalb wurden die Zahlungen an den Klub
gestoppt. "Wenn man seinen Angestellten erklären muß, daß
sie kein Weihnachtsgeld bekommen", wirbt Stärk um Verständnis,
"kann man nicht noch einen Verein sponsern." Ihm selbst tue das am meisten
weh, versichert der ehemalige Technische Leiter der Rohrhöfer, "sonst
hätte ich mich nicht drei Jahre lang engagiert und versucht, hier
etwas aufzubauen. "
Allerdings bleibt auch ein bitterer Beigeschmack aus der
sportlich erfolgreichen Zeit. "In den letzten sechs Ausgaben unseres Stadionheftes
Hahnenschrei' habe ich regelrechte Hilferufe abgedruckt", erklärt
Stärk, "ich habe mich als Einzelkämpfer ganz einfach überfordert
gefühlt." Das sei schon richtig, bestätigt Hufnagel, der Klub
habe das "Experiment" nur halbherzig verfolgt. "Aber in jedem Verein machen
einige Wenige die
ganze Arbeit", gibt er zu bedenken, "in dieser Hinsicht war Andreas
zu blauäugig. "
Verstecken will sich Stärk trotzdem nicht, Vereinsmitglied
beim SV Rohrhof bleibt er weiterhin. "Der Vorstand hat mich auch informiert,
bevor die Mannschaft abgemeldet wurde, obwohl er das gar nicht hatte tun
müssen", berichet er, "unser Verhältnis zueinander ist genauso
normal wie zuvor. " Das sehe Stark zu einfach, widerspricht Hufnagel. Immerhin
bestätigt der erste Vorsitzende, daß dem Verein kein finanzieller
Schaden entstanden sei.
Ein Imageschaden ist jedoch mit Sicherheit da. Problematisch
ist die Situation auch für die Spieler. Da die zweite Mannschaft der
Rohrhöfer in der B-Klasse weiterspielt, müssen sie bei einem
Vereinswechsel während der Saison mit einer, Sperre von drei Monaten
rechnen. Volker Berg (Wormatia Worms), Andreas Großmann (FV Biblis),
Armin Oswald (SV Sinsheim), Sven Metz (RWO Alzey) und Andreas Metz (SG
Eschelbach) haben schon neue Klubs gefunden, der Rest ist noch auf der
Suche. Angesichts des Reinfalles auf dem Rohrhof mit einem gewissen Gefühl
der Unsicherheit. "Bevor ich einen solchen Fehler noch mal mache", versichert
etwa Mittelfeldspieler Norbert Muris, der auch schon in der hessischen
Oberliga kickte, "überlege ich beim nächsten Wechsel ganz genau.
"
In der Luft hängt momentan auch Erfolgscoach Dieter Gerweck.
Der übernahm die Rohrhöfer vor viereinhalb Jahren in einer fast
aussichtslosen Situation zehn Spieltage vor Schluß in der Bezirksliga
rettete sie vor dem Absturz in die A-Klasse, packte im Jahr darauf den
Aufstieg und nach dem anschließenden Abstieg nun zum zweitenmal den
Sprung in die Landesliga. "Und vom Potential her", ist er sich sicher,
"war diesmal der Durchmarsch in die Verbandsliga drin."
Insofern ärgert den 39 Jahre alten ehemaligen Vertragsamateur
des KSC die mißliche Situation ganz besonders. "Denn", gibt der ehrgeizige
Coach zu bedenken, "ich hätte als Trainer in die Verbandshga kommen
können." Des weiteren sei "es gar nicht so einfach, wieder einen ambitionierten
Verein zu finden. Ein "Schlaraffenland" wie auf dem Rohrhof, wo Stärk
für optimale Bedingung gesorgt habe, wird ohnehin kaum noch mal jemand
bieten.
Der SV selbst hat andere Sorgen. Im Frühjahr muß
erstmals entschieden werden, ob der Verein, der ja nun als erster Landesliga-Absteiger
feststeht, überhaupt für die Bezirksliga meldet oder in der B-Klasse
weiterspielt. "Wir haben eine große vereinseigene Anlage, die jedes
Jahr Geld für den Unterhalt frißt." gibt Hufnagel zu bedenken,
"das ist mir wichtiger als die Spielklasse, in der wir zukünftig antreten."
Rhein-Neckar-Zeitung vom 25.11.1998, Seite 24