Wann und wo hat Deine lange Fußballer-Karriere begonnen?
Wirth: Das war 1955 bei der SG Kirch-heim. Ich war in der 4. Klasse und spielte in einer der vier Schülermannschaften des Vereins. Mit 18 kam ich in die "Erste", in der ich vier Jahre lang bis zu meinem Wechsel zum FV 09 Weinheim aktiv war.
Wer wie Du seit nunmehr 33 Jahren aktiv im Geschaft ist, hat beide Seiten der Medaille, die angenehme und die schmerzliche, ausgiebig kennengelernt. Bei der Frage nach Deinem größten Erfolg als Fupballspieler und Mannschaftskapitän mußt Du wohl nicht lange nachdenken...
Wirth: Der "größte Erfolg" wird immer daran gemessen, welche Wellen er schlägt. Und da war natürlich der 2:1-Sieg gegen den HSV, den Spitzenreiter der Bundesliga, im DFB-Pokal am 26. 10. 1974 das aufsehenerregendste Erlebnis - nicht nur für die Spieler, sondern für die ganze Region. Sportlich gesehen, darf ich sagen, daß ich in meiner aktiven Zeit ungefähr zehn Meisterschaften errungen habe. Und die waren für mich nicht weniger wert. Aber die Sensation gegen den HSV war natürlich ein Ereignis, wie man es nur einmal erlebt.
Wie viele Zuschauer hattet Ihr bei diesem Match?
Wirth: Etwa 12.000. In der übernachsten Runde, nachdem wir vor ebenso vielen Fans Sandhausen ausgeschaltet hatten...
... wo Du von der Press als "überragender Mann" und 'Vater des Eppiger Sieges" gefeiert wurdest...
Wirth: ...waren es gegen Werder Bremen sogar 24.000 Zuschauer.
Da setzte es dann eine 0: 2-Niederlage. Aber immerhin hatten wir es unter
die letzten Acht im DFB-Pokal gebracht.
Auf welcher Position hast Du gegen den HSV gespielt?
Wirth: Im vorderen Mittelfeld agierte Gerd Störzer, in der Mitte Erwin Rupp. Da hatte ich im defensiven Mittelfeld die Aufgabe, die Löcher zuzumachen und zu versuchen, das Spiel von hinten heraus zu gestalten.
Ihr habt ja einen HSV geschlagen, der seinerzeit ausgezeichnet in Schuß war...
Wirth:Der HSV kam nicht nur als Tabellenführer der Bundesliga mit Stars wie Volkert, Kaltz, Kargus, Reimann, Memering und Eigl, er hatte am Mittwoch vor dern Pokalspiel seine Hochform durch ein eindrucksvolles 8:0 im UEFA-Cup über Roter Stern Brasov unterstrichen. Da fühlten sich die Hamburger so sicher, daß sie sogar ihren Regisseur Klaus Zazcyk und Nogly zu Hause ließen. Um so größer war dann hinterher die Ernüchterung.
Hat nach Eurem Riesenspiel kein Profiverein bei Dir angeklopft?
Wirth: Nach diesem Spiel konkret nicht. Aber nach dem Pokalfight gegen Bremen hat mir der Schieck, unser Libero, gesagt, daß die Bremer mich am liebsten gleich mitgenommen hätten. Als sie dann allerdings hörten, daß ich nicht mehr der Jüngste war, haben sie dann doch davon Abstand genommen. Ich ging damals auf die Dreißig zu. Da war der Markt, was den Wechsel zu einem Profiverein anging, natürlich verlaufen.
Hast Du noch Kontakte su den Eppinger Pokalkollegen?
Wirth: Selbstverständlich. Wir treffen uns jedes Jahr im Herbst zu einem gemeinsamen Essen, machen auch ab und zu ein Spiel - wie zuletzt gegen die Deutsche Amateurmeister-Mannschaft des SV Sandhausen - und begegnen uns ansonsten auch immer wieder auf den Sportplätzen. Viele Spieler der damaligen Mannschaft wie etwa Störzer, Schieck, Lietzau, Autz, Kern und auch ich sind ja bekanntlich als Trainer aktiv oder bis vor kurzem noch tätig gewesen. Ich vermute, daß auch Erwin Rupp früher oder später einen Trainer-Job übernehmen wird, obwohl er wie ich für ein solches Amt vielleicht "zu weich" ist.
Dein Einstieg als Trainer stand wohl eher unter unglücklichen Vorzeichen...
Wirth: Dazu muß man wissen, daß der SV Neckargerach bereits vor der Oberligasaison, in der ich als Spielertrainer in die Bresche sprang, neun Spieler verloren hatte. Nach dem ersten Saisondrittel, als der Verein seine Versprechungen nicht mehr halten konnte, sprangen weitere acht oder neun Spieler von heute auf morgen ab. Als der Trainer schließlich das Handtuch schmiß, setzte ich als Spielertrainer alles daran, den verfahrenen Karren vielleicht doch noch aus dem Dreck zu ziehen. Es war ein aussichtsloses Unterfangen, der Abstieg in die Verbandsliga, in der ich weiterhin Spielertrainer blieb, mithin unvermeidlich. Auch in der Verbandsliga waren wir von vorneherein zum Scheitern verurteilt, denn die wenigen Leistungsträger hatten den Verein verlassen, so daß die Mannschaft maximal Landesliga-, wenn nicht gar Bezirksliganiveau aufwies.
Du hast angedeutet, daß Du für einen Truinerjob "zu weich" seist. Muß ein Trainer ein harter Hund sein?
Wirth: Sagen wir so: Ein Trainer, der, wie man so schon sagt, ein Schweinehund ist, hat es letztendlich leichter. Ich neige dazu, meine persönliche Einstellung, nämlich immer - ob im Training oder im Spiel - mit vollem Engagement zur Sache zu gehen, auch bei den übrigen Spielern als selbstverständlich vorauszusetzen. Und da bin ich ab und zu enttäuscht worden. Es gilt halt gerade im Trainergeschaft die alte Devise: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Spieler wollen immer als erwachsene Menschen behandelt werden, aber hin und wieder zeigen sie dem Trainer, daß sie absolut hilflos sind und immer dirigiert werden müssen, auch wenn sie es nicht wahrhaben wollen. Und das ist für mich von der menschlichen Seite her überhaupt nicht zu verstehen.
Werfen wir nochmals einen Blick zurück. Was kam nach Deinem einjährigen Gastspiel bei Weinheim?
Wirth: Weinheim war ein für meine fußballerische Entwicklung sehr wichtiges Jahr für mich. Hier mußte ich mich erstmals in einer spielerisch äußerst starken Mannschaft beweisen, was mir so gut gelang, daß der Trainer mich nach der Saison zu sei-nem neuen Club FV Speyer in die Regionalliga mitnahm. Ich wollte einfach wissen, ob ich mich auch im sogenannten bezahlten Fußball durchsetzen kann. Wenn ich heute dran denke: Mein vertragliches Grundgehalt betrug monatlich 100,- DM, angereichert durch die Prämien. In Speyer spielte ich drei Jahre als Spielgestalter im Mittelfeld. Während meiner Zeit in Speyer waren Vereine wie Alsenborn, Saarbrücken, Borussia Neunkirchen und Mainz 05 an meiner Verpflichtung interessiert. Mit Mainz war ich mir schon fast einig, aber Speyer wollte mich nicht freigeben.
Die nächste Station war Eppingen...
Wirth: Ja. Der VFB spielte damals in der 2. Amateurliga und stieg dann in die l. Amateurliga auf. Und da hatten wir - mit Assen wie Schieck, Rupp, Störzer, Welz, Kern, Aust, Breunig - eine echte Ausnahmemannschaft, die an Spielwitz ihresgleichen suchte. So wurden wir zweimal nordbadischer Pokalsieger und nordbadischer Amateurmeister. Dazu muß man wissen, daß wir nur zweimal in der Woche trainierten und auch im Traning hauptsächlich das machten, was wir am besten konnten: nämlich Fußball spielen. Selbst wenn unser Trainer Meichelbeck was anderes mit uns vorhatte, gelang es uns häufig, ihn mit der Bitte "Mensch Harald, laßt uns doch ein Spielchen machen" rumzukriegen. Das war eine tolle Zeit. Wir waren eine verschworene Truppe, die zweitweilig acht Spieler in der nordbadischen Auswahl stellte. Diese Auswahl er-reichte unter dem Verbandstrainer Csernai den zweiten Platz im Amateurländerpokal.
Machen war nun einen großen Sprung über Deine anschließenden Engagements in Kirckheim, Bammental und Sinsheim zu Deinem jetzigen Verein. Du hast wesentlichen Anteil am Aufstieg des ASC in die Kreisliga A. Wie hast Du es geschafft, Dich auch in der untersten Klasse immer wieder neu zu motivieren?
Wirth: Wer gerne Fußball spielt, der tut dies unabhängig von der Klasse, in der er tätig ist. Ich meine, daß gerade Spieler, die aus einer höheren Klasse kommen, eine besondere Verpflich-tung haben, ihre Erfahrung in den Dienst der Mannschaft zu stellen und die Spieler zu animieren, mehr aus ihren Fähigkeiten zu machen. Und die allgemeine Redensart, in der B-Klasse werde nur geschrubbt und gekickt, lasse ich nicht gelten. Das Niveau in der A-Klasse liegt jedoch erheblich höher. Die Mannschaften sind in sich stärker besetzt.
Dein Tip zum Abschneiden des ASC in dieser ersten A-Liga-Runde...
Wirth: In dieser Gruppe gibt es keine Ausnahmemannschaft. Der
FC Hirschhorn steht meines Erachtens viel zu gut. Die beständigste
Mannschaft dürfte St. Ilgen sein. Spielerisch wahrscheinlich
die beste Mannschaft ist der SV Sandhausen, wenn die jungen Nachwuchsleute,
die auch im Kader der Ersten stehen, dabei sind. Meines Erachtens kann
jeder jeden schlagen, und wir stehen eigentlich schlechter, als wir sind.
Personell gesehen, sind wir besser dran als letztes Jahr. Wir haben mehr
Spieler mit A-Klassen-Niveau. Wir haben nur nicht die Korsettstangen, die
überragend sind, wo man sagt: An denen bauen sich die anderen auf.
Wir sind mann-schaftlich noch nicht so geschlossen aufgetreten, wie wir
hätten auftreten sollen und können. Wir haben noch nicht
die richtige Bindung zwischen den einzelnen Mannschaftsteilen. So klafft
z. B. zwischen Sturm und Mittelfeld eine Riesenlücke. Ich bin
davon überzeugt: Wenn der Spielwitz und die Spielfreude stärker
zum Tragen kommen und im Sturm der bisher fehlende Druck aufs Tor entfaltet
wird, platzt der Knoten, und wir spielen in der A-Klasse gut mit. Ich glaube
und hoffe nicht, daß wir uns in Richtung Abstiegskampf bewegen, denn
dann wird der Druck von Sonntag zu Sonntag stärker.
Hast Du Dir auch schon Gedanken gemacht, warm Du die Fußballstiefel
endgültig an den Nagel hängen willst?
Wirth: Momentan gehe ich wahnsinnig gerne ins Training, habe großen Spaß am Fußballspielen, glaube auch, daß ich Spaß am Fußball vermittle, und solange ich das Gefühl habe, daß ich von anderen nicht mitgezogen werden muß, verschwende ich überhaupt keinen Gedanken ans Aufhören. Wie es in der nächsten Saison weitergeht, kann ich jetzt wirklich noch nicht sagen. Jetzt geht es für mich mit dem ASC in erster Linie darum, möglichst weit nach oben in der Tabelle zu kommen.
Ein Spieler von Deinem Kaliber sollte seine Einstellung, sein Fußballwissen und seine Erfahrung an die Nachkommen weitergeben. Das geht aber nur, wenn Du Dich in der Jugendarbeit engagierst.
Wirth: Gerade in der Jugendarbeit muß der Hebel angesetzt werden, wenn man nicht nur Kämpfer und Renner heranzüchten will. Das Problem ist nur: Wer setzt den Hebel an? Wer vermittelt das nötige fußballerische Rüstzeug? Ich weiß aus Erfahrung, daß in der Jugendarbeit viele äußerst engagierte Leute tätig sind, die aber in den meisten Fällen zu wenig Voraussetzungen mitbringen, um den Kindern das Fußball-Einmal-eins wirklich anhand der eigenen Praxis beibringen können. Aber die Vereine müssen froh sein, wenn sie jemanden haben, der sich für die Jugendarbeit opfert.
aus: Sport vor Ort, Ausgabe 1/89 Seite 12-14