Fußball in den USA

Erfahrungen und Beobachtungen eines Heidelbergers

Von Hartmut Bittner

Als ich als Co-Trainer eine Jugendmannschaft von 15 -16jährigen in Boston betreute, der Metropole der New England Staaten, also der Region an der Ostküste der Vereinigten Staaten, die am stärksten mitteleuropäisch ausgeprägt ist, überraschte es mich anfangs doch sehr, mit welchem Enthusiasmus eine große Anzahl von Jugendlichen dabei ist, dem "runden Leder" nachzujagen. Mein Team waren die Newton NIKES, was soviel bedeutete wie "Siegesgötter". Doch leider waren die Dinge anfangs alles andere als göttlich.

Ich war schon sehr zufrieden, als einige der 25 Teammitglieder in der Lage waren, den Ball wenigstens fünfmal "hochzuhalten" und gedanklich schon einmal nachvollziehen konnten, was ein offensiver und was ein defensiver Spieler ist. Daß ein Team aus 20 - 25 Spielern besteht, ist tatsächlich der Standard und ich hatte die größten Schwierigkeiten, die amerikanische Trainerauffassung erst einmal zu bepeifen, allen Spielern möglichst gleichviel effektive Spielzeit einzuräumen. In der Praxis sieht das so aus, daß bereits wenige Minuten nach dem Anpfiff damit begonnen wird, Spieler blockweise auszuwechseln: Vier Spieler raus, vier neue Spieler rein.

Große Kulisse, tolle Parties

Natürlich kann man sich eines Schmunzelns nicht erwehren, wenn ein Spieler, der vor fünf Minuten noch Verteidiger war, plötzlich als Mittelstürmer im gegnerischen Strafgraum umherirrt, um dem Schiedsrichter ständig den Abseitspfiff zu ermöglichen. Nachdem ich aber, nach vielen Auseinandersetzungen mit Eltern, Spielern und Cheftrainer, damit anfing, nur noch punktuell auszuwechseln und die Spieler nach ihren Fertigkeiten einzusetzen und sich glücklicherweise auch noch viele Siege einstellten, machte es doch Spaß. Hinzu kam, daß es jeden Samstag, dem Tag der fußballerischen Auseinandersetzung mit der gegnerischen Mannschaft, zu einer tollen Party ausartete. Denn von jedem Spieler waren nicht nur seine Schulfreunde zugegen, sondern auch die Eltern und Nachbarn, die mit Getränken und Sandwiches eine große Kulisse darstellten und ein riesiges Barbecue ("Gartenfest") veranstalteten. Die größte Party feierten wir alle gemeinsam, als wir, in der Anfangsphase der Meisterschaft bereits als abgeschlagen betrachtet, doch noch mit dem Gewinn der Vizemeisterschaft abgeschlossen haben.

Obwohl es keine Vereine oder Clubs gibt, sind der Zusammenhalt unter den Spielern und Betreuern und die Organisation des Sport-, Trainings- und Spielgeschehens gut. Über den Gewinn von Gebiets- und regionalen Meisterschaften kann man sich bis zur Teilnahme an Distrikt- und Bundesstaatsmeisterschaftsturnieren qualifizieren, wobei natürlich das fußballerische Niveau immer weiter ansteigt. Daß heutzutage die spielerisch-technische Qualität und das taktische Verhalten eines jeden Einzelspielers und der einzelnen Mannschaftsteile noch sehr verbesserungswürdig sind, hat folgende Gründe: Den Spielern fehlen Idole und Anschauungsmaterial, denn erst am Ende des Jahres 1989 wurde wieder der Versuch gestartet, eine Profiliga an der Ostküste zu organisieren. Da hilft es auch nicht, wenn ESPN, einer der zwei nationenweiten Fernsehsender, die 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche Sport senden, einmal in der Woche eine europäische Spitzenbegegnung überträgt. Den Fußballtrainern fehlt - oft mehr als den Spielern - das notwendige theoretische Wisen, um über gezielte Trainingsprogramme Technik und Taktik der Spie-ler zu schulen. Für sie stellt Fußball eine Mischung aus Hockey und Football dar.

Traumhafte Trainingsbedingungen

Obwohl die Spieler athletisch Qberdurchschnittlich ausgebildet sind - sie haben bereits in der Schule zwischen 15 und 20 Stunden Sport pro Woche - stehen als Schwerpunkt in jedem Training Konditionsübungen auf dem Programm, wobei bis "zum Umfallen" gerannt werden muß. Die Teams sind am erfolgreichsten, die auf die Assistenz und Beratung von europäischen oder süda-merikanischen Trainern und Fußballehrern zurückpeifen können.

Die Trainingsbedigungen sind traumhaft, da überall vorzüglich gepflegte, rie-sige Sportarenen oder Rasenplätze zur Verfügung stehen. Als europäischer Trainer ist man sofort akzeptiert und Geld ist genügend vorhanden. Der College- und Universitätssport nimmt im Seniorenfußball eine bedeutende Rolle ein, der mit den organisierten Sportligen der Fußball- oder Handballbundesliga vergleichbar ist. Hier wird auch um die nationale Meisterschaft gespielt.

Stipendien für sehr gute Fußballer

Als ich letztes Jahr an der Duke Universität in North Carolina arbeitete, dem amerikanischen Fußballmeister von 1986, war ich hellauf begeistert, als ich eine solide fußballerische Vorstellung im Beisein von weiteren 20.000 Zuschauern miterleben durfte. Man bestätigte mir auch, daß sehr gute Fußballer die Chance hätten, über ein Stipendium an einen der lukrativen Collegeplätze in Duke heranzukommen. Wenn man bedenkt, daß sich die jährlichen Studiengebühren auf ungefähr 20.000,-Dollar belaufen, steckt da auch eine Art von bezahltem Fußball dahinter.

Heutzutage haben überhaupt alle, besonders aber aus Europa kommende Fußballtrainer im Land der unbegrenzten Möglichkeiten gute Chancen, sehr schnell viel Geld zu verdienen, denn überall spürt man gewaltige Anstrengungen, eine schlagkräftige USA-Auswahlmannschaft für die 1994 im eigenen Land stattfindenden Fußballweltmeisterschaft auf die Beine zu stellen. Leider wird dann, nach sicherlich professioneller und er-folgreicher Austragung der WM, die "Seifenblase" - USA-Fußball - von den nach wie vor übermächtigen, in der Beliebtheitsskala ganz weit oben stehenden Sportarten wie Football, Basketball, Ba-seball und Eishockey wieder zum Platzen gebracht.

aus : Sport vor Ort, Ausgabe 2/89, Seite 12