Die Gesamtnote "Schwache Neuenheimer” in der Überschrift des RNZ-Artikels vom 17. Juni ist ein zu pauschales, nicht leistungsgerechtes Urteil! Sie gilt vielleicht für die erste halbe Stunde, als der ASC sich von der offensiven. aggressiven und strukturierten Gangart des Verbandsliga-Viertletzten überrumpeln lässt. Dazu das allzu frühe Gegentor, das den danach tiefer als die Abendsonne stehenden Langensteinbachern in die auf Kontrolle ausgerichteten Karten spielt.
Doch in der folgenden Spielstunde hält die Mannschaft von Chefcoach Uli Brecht vor etwa 700 Zuschauer/innen couragiert, aber oft zu hektisch dagegen. Im vielfach bewährten 3-5-2-System – leider ohne die verletzt vermissten Levin Sandmann (offensive) und Philipp Knorn (Defensive) – sind die Anatomen von da an in puncto Ballbesitz mindestens ebenbürtig und haben durchaus Möglichkeiten zum Ausgleich. Um es mit dem Finalspieltag Fronleichnam auszudrücken: Zum Bedauern der lautstarken ASC-Fantribüne schaffen es die Brecht-Jünger nicht, das kostbare Brot der raren Chancen in den Wein der notwendigen Tore zu verwandeln.
Mehr als verbandsligalike erweist sich wie schon beim Halbfinale gegen den mittelbadischen Vizemeister 1. FC Ersingen in Forst die Neuenheimer Fangemeinde. Schon auf der Anfahrt im vollen Bus in ausgelassener Sangeslaune, feuern die vorwiegend jungen ASC-Anhänger/innen mit Niklas Eulentrop am Megaphon ihre Gelbhemden fast pausenlos an.
Nach der ersten blauen Angriffswelle kann der ASC mit etwas Fußglück sogar schon nach vier Minuten in Führung gehen. Während die Fantribüne den Klassiker "Auf gehts’s, Neuenheim, schießt ein Tor!” intoniert, zirkelt ASC-Freigeist Tarek Aliane den ersten Freistoß in den SVL-Strafraum. Am langen Pfosten grätscht Safer Sechser Boubacar Siby (Nr. 4) in seinem letzten starken Spiel für den ASC Neuenheim Zentimeter an diesem gefährlichen Ball vorbei (4.).
Kurz darauf schlägt der SVL auf der anderen Seite kaltblütig zu. Ein Eckball von der rechten Seite findet den Kopf des in die sträfliche Lücke stoßenden SVL-Verteidiger Robin Müller, der ASC-Torwart Daniel Tsiflidis mit seinem platzierten Geschoss unter die Latte keine Chance lässt (7.). Vor der Trinkpause trifft SVL-Ankurbler Joao Radelli mit seinem Fernschuss den Neuenheimer Posten (21.).
Diese Trinkpause inklusive motivierender Ansage des Trainer-Tandems Uli Brecht und Pierre Heidicker tut den ASC-Spielern und ihrer Comeback-Mentalität gut. Nach einer halben Stunde das erste beeindruckende Neuenheimer Ausrufezeichen. Der spielende Co-Trainer Marcel Hofbauer dribbelt sich auf der rechten Außenbahn energisch durch und adressiert eine Traumflanke über die SGL-Abwehr auf die andere Strafraumseite. Dort lauert der aktionsfreudige Zehner mit der Neun Tarek Aliane und nimmt den perfekt getimten Ball mit der Frechheit des smarten Freigeistes volley. Sein Prachtschuss zischt knapp am langen SVL-Pfosten vorbei (30.).
Wenige Minuten später wehrt ASC-Keeper Daniel Tsiflidis, der wie sein Pendant Patrick Fabry insgesamt wenig Handgreifliches zu befürchten hat, einen knackigen Schuss von SVL-Zehner Dominic Riedel zur Ecke ab (40.). Überhaupt scheint die Taktik des cleveren SVL-Coaches Sebastian Weber vor allem darauf abzuzielen, mit langen Bällen auf den quirligen, trickreichen Flügelflitzer Simon Anthony Leimann, dreifacher Torschütze im Halbfinale gegen den FV Lauda, und dessen scharfen Flachflanken vor allem auf SVL-Goalgetter Dominic Riedel (24 Saisontore) zum Abschluss zu kommen.
Nach dem Wiederanpfiff des exzellenten Regionalliga-Schiedsrichters Marc Heiker aus Sinsheim, der mit der ausgesprochen fairen Partie keinerlei Mühe hat und mit seinen Assistenten Luca Binder und Ludwig Schilling stets richtig entscheidet, geht es dem Verbandsligisten vor allem daran, das Spiel aus der Defensive heraus zu kontrollieren, den Landesliga-Toptorjäger Ben-Richard Prommer an die Kette zu legen und Neuenheim seelenruhig kommen zu lassen.
Gut eine halbe Stunde lang sehen die etwa 700 Zuschauer/innen, darunter die ASC- Gründungsmitglieder Prof. Dr. Dirk Heinrich und Dr. Walter Herzog auf der schattigen Gegentribüne, eine Art Rasenschach mit Vorteilen für Neuenheim und gerecht verteilten gelben Karten.
Die beiden bis dahin besten Blauen Dominic Riedel, ein torgefährlicher Zehner wie aus dem Lehrbuch, und sein wieselflinker Teflon-Partner Simon Anthony Leimann mangels Pässen verbringen die restliche Spielzeit quasi in Quarantäne.
Auf der anderen Seite gelingt es den von den Fans unermüdlich nach vorne skandierten Gelbhemden nicht, das Abwehr-Bollwerk um den ausgebufften SVL- Kapitän Thorsten Kraski ernsthaft in Verlegenheit zu bringen.
ASC-Speedmaster Stefan Berger sorgt mit seinen Turbo-Dribblings und Power- Flanken aus dem Fußgelenk zwar für viel Trouble. An Zuspielen in die Spitze mangelt es Tarek Aliane, Boubacar Siby & Co. jedoch an der exakten Dosierung. Dem stets gedoppelten Saison-Torgaranten Ben-Richard Prommer fehlt im Duell des entschlossen zupackenden SV-Keepers Patrick Fabry zwei-, dreimal die entscheidende Fußlänge zum Ausgleich.
Zehn Minuten vor dem Abpfiff die letzte klare Möglichkeit für den konditionell fitteren Landesligisten. Einen Freistoß von Alexander Kerber, ebenfalls in seinem letzten ASC-Spiel, verlängert Ben-Richard Prommer mit dem Hinterkopf auf den langen Pfosten, den er jedoch um einen halben Meter verpasst (80.). Nach fünfminütiger Nachspielzeit pfeift Schiedsrichter Marc Heiker (TSV Kürnbach) das Finale im idyllischen Kirrlacher Waldstadion ab.
Der verheißungsvolle Lichtblick aus Neuenheimer Sicht: Die zahlreichen ASC-Fans hinter der Neuenheimer Bank feiern ihre enttäuschten Spieler mit Sprechchören und lindern ein wenig den Schmerz der verdienten, trotzdem mit einem Lucky Punch vermeidbaren Niederlage. Beim vom Verein spendierten Freibier nebst Grillgut und bei der spätabendlichen Rückfahrt im Mannschaftsbus weicht der Frust über den Nichtaufstieg der Genugtuung über eine herausragende Saison.
Der Autor dieser Spielstory sagte dem RNZ-Reporter Wolfgang Brück nach dem Abpfiff: "Wir sind jetzt 44 Jahre ohne die Verbandsliga ausgekommen. Da halten wir es noch gut bis (mindestens) zum 45jährigen Bestehen des Anatomie-Sport-Club Neuenheim1978 e. V. im nächsten Jahr aus. Die Saison 2021/22 und die Relegations-Krimis in Forst und Kirrlach waren auch ein Erfolg für die positive Außenwirkung und die in den letzten entscheidenden Wochen enorm gestiegene mediale Reichweite des ASC Neuenheim.
Herzlichen Glückwunsch und Kompliment an den SV Langensteinbach, der sich den Verbleib in der Verbandsliga mit einer reiferen, abgebrühteren Gesamtleistung verdient hat. Ein Extra-Dankeschön geht an die Adresse de Veranstalters und Final-Ausrichters FC Olympia Kirrlach. Wie das vielköpfige FC-Team das stimmungsvolle Endspiel organisiert und die etwa 700 Gäste bestens gelaunt bewirtet hat: Das war wahrhaft olympisch! Unsere Gesamtnote für Eure Gastgeber- Leistung: Ganz stark!
Joseph Weisbrod
Von Wolfgang Brück
Kirrlach. Es ist eine Kunst, das Gute im Schlechten zu sehen. Joseph Weisbrod beherrscht sie. "Nächstes Jahr feiern wir 45-jähriges Bestehen. Da passt der Aufstieg besser", tröstete sich der Vize-Präsident des ASC Neuenheim. Der aufstrebende Verein aus Heidelberg verlor am Donnerstagabend das Relegations-Finale gegen den SV Langensteinbach mit 0:1 und bleibt damit in der Landesliga. Ein frühes Tor von Robin Müller (7.) entschied die Partie für den Verbandsliga-Viertletzten.
"Ich bin stark enttäuscht", gab Team-Manager Danny Stiegler zu. Verständlich. Es ist bitter, kurz vor der Ziellinie zu scheitern. Die Spitze des Fußballkreises Heidelberg mit Johannes Kolmer, Frank Wolf und Erhard Mayer hatte auf einen dritten Vertreter – neben Mühlhausen und Walldorf II – in der sechst höchsten deutschen Spielklasse gehofft.
Es war erstaunlich, dass der 88-Tore-Sturm des Landesliga-Vize gestern Abend nur ein laues Lüftchen war – und das gegen eine Abwehr, die in der zurückliegenden Verbandsliga-Runde 94 Gegentreffer kassiert hatte. "Wir waren nicht zielstrebig genug, haben kaum Chancen kreiert", bedauerte Stiegler.
War es das frühe Gegentor, das Neuenheim in Schockstarre versetzte? Brechts Buben, seit acht Spielen ungeschlagen und auch beim Halbfinal-Sieg gegen Ersingen überzeugend, wirkten zaghaft, gehemmt, nervös.
Neuenheim hatte Glück, dass Langensteinach bis zur Halbzeit nur knapp führte. Überragend: Dominic Riedel, 24-maliger Torschütze in der Meisterschaft-Runde und früherer Regionalliga-Spieler des SV Spielberg.
Erst nach einer halben Stunde taute der ASC auf – langsam. Hatte zwar in der zweiten Halbzeit ein Übergewicht, aber so gut wie keine Chancen. "Erstmals nach langer Zeit haben wir nicht die Offensiv-Power entwickelt, die uns auszeichnet", bedauerte Marketing-Chef Alex Stiehl.
Das musste Johannes Kolmer bestätigen: "Das Spiel ist so dahin geplätschert", vermisste der Fußballreis-Vorsitzende Entschlossenheit. Auch bei Willi Schöneck ging der Puls nicht in die Höhe. "Langensteinbach hat die Kontrolle", urteilte der ehemalige Co-Trainer der U23 beim SV Sandhausen. Er hatte gestern Abend ein Heimspiel. In der zu Ende gehenden Runde hatte er an der Seite des ehemaligen Waldhof-Profis Michael Köpper den mittelbadischen Landeslisten Olympia Kirrlach trainiert und übergibt sein Amt an den früheren VfR-Coach Andreas Backmann.
"Beim Anatomie-Sport-Club habe ich die Kreativität vermisst, um Lücken zu reißen", stelle Eckhard Britsch fest. Der Nußlocher war Feuilleton-Redakteur der RNZ, früher quicklebendiger Linksaußen, und ist ein guter Freund von Jochen Reske, Silbermedaillen-Gewinner bei den Olympischen Spielen 1960 in Rom mit der 4-mal-400-Meter-Staffel.
Es brauchte gestern keine Fußballlehrer-Lizenz, um die Dinge auf den Punkt zu bringen. Elena Bertolini meinte: "Die anderen sind mehr drauf gegangen."
Dem positiven Anfang fügen wir ein positives Ende an. Bernd Wirth, Pressechef des VfB St. Leon, stellte fest: "Wir haben nichts dagegen, dass Neuenheim in der Liga bleibt, denn wir haben vier Punkte gegen den ASC geholt."
ASC Neuenheim: Daniel Tsiflidis, Famara Sanyang, Lucas Ring, Boubacar Siby, Arik Edelmann, Dominik Räder, Stefan Berger, Oliver Kubis (75. Ralf Berger), Tarek Aliane, Marcel Hofbauer (78. Alexander Kerber), Ben-Richard Prommer - Jonas Kürsch (ETW), Samuel Schmidt, Raul Pacheco Sudar, David Piazolo, Fabian Springer, Felix Dipper, Levin Sandmann, Philipp Knorn - Trainer: Ulrich Brecht
SV Langensteinbach: Patrick Fabry, Robin Müller, Dominik Haramustek, Dominic Riedel, Simon Anthony Leimann (90. Niclas Schmider), Nicolas Schiatti (82. Jan-Oliver Stachura), Lars Kuhn, Thorsten Kraski, Joao Paulo Tardelli Rancano Rosa, Alwin Reuer, Steffen Roth (74. Tim Kröbel) - Trainer: Sebastian Weber
Tore:
2 Karten für ASC Neuenheim:
Schiedsrichter: Marc Heiker (Sulzfeld)
Zuschauer: 650
4. Minute: In der offensiven, aggressiven Langensteinbacher Startphase hat der
ASC Neuenheim den ersten Freistoß im Kirrlacher Endspiel um den letzten freien
Platz in der Verbandsliga Nordbaden. Die ASC-Fans skandieren den Klassiker "Auf
geht's, schießt ein Tor!” Tarek Aliane schlägt den Ball auf den langen Pfosten.
Safer Sechser Boubacar Siby (Nr. 4) grätscht in den Ball, verpasst ihn aber
knapp.
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30. Minute: Beim Stand von 0:1 für den Verbandsliga-Viertletzten SV
Langensteinbach durch das frühe Kopfball-Tor von Robin Müller (7. Min.) die
nächste vielversprechende Neuenheimer Offensivaktion. Marcel Hofbauer krönt sein
Solo mit einer Traumflanke über die SVL-Abwehr hinweg. Tarek Aliane nimmt den
Ball volley und jagt ihn knapp am langen Posten vorbei. Dieser Prachtschuss
hätte den Ausgleich zum 1:1 verdient gehabt!
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37. Minute: Erneut ist es der aktionsstarke Neuenheimer Offensiv-Kreative Tarek
Aliane, der einen maßgeschneiderten Freistoß in den Strafraum zirkelt. Saison-
Torjäger Ben-Richard Prommer ist zur Stelle und köpft großzügig über die SVL-
Beziehungskiste.
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80. Minute: Der ASC Neuenheim bemüht sich immer noch um den Ausgleich zum 1:1.
Hier eine der letzten Gelegenheiten im Kirrlacher Finale. Der eingewechselte
Standard-Maestro Alexander Kerber schlägt einen Freistoß in den
Langensteinbacher Strafraum. Ben-Richard Prommer verlängert den Ball per Kopf
auf den langen Pfosten, verfehlt da Tor aber um einen halben Meter.
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