Von Wolfgang Brück"Die wissen, wo sie hintreten müssen"
Das noble Neuenheim im badischen Pokal-Halbfinale gegen den Arbeiterverein Waldhof aus dem rauen Mannheimer Norden
Heidelberg. Dr. Werner Rupp arbeitet am Vierwaldstätter See in der Zentrale von Roche Diagnostics und er wirkt gleichzeitig in Heidelberg. Der 64- jährige Doktor der Chemie ist im Fußballkreis zweiter Mann hinter Johannes Kolmer und seit über 40 Jahren Präsident des ASC Neuenheim. Mit seiner Frau Claudia, die in Wilhelmsfeld Fachärztin für Allgemeinmedizin ist, hat er vier Kinder: Julian (29), der ebenfalls dem Vorstand des Fußball-Landesligisten angehört, und die Drillinge Sophia, Leona und Marian (24).
Dr. Werner Rupp: Eine Chance von 0,01 Prozent, es sei denn wir stellen einen Doppeldecker-Bus vors Tor. Foto: ASCIm badischen Pokal-Halbfinale am Samstag, ab 18 Uhr, auf dem FußballCampus in Neuenheim treffen Welten aufeinander. Der erst 1978 gegründete Anatomie-Sport- Club gehörte die meiste Zeit unteren Spielklassen an, Drittligist SV Waldhof hat eine Bundesliga-Vergangenheit. 27 der 28 Gründungs-Mitglieder des Heidelberger Stadtteil-Klubs, darunter auch Dr. Werner Rupp, sowie Kapazitäten wie die Professoren Dr. Markus Büchler und Dr. Wolf-Georg Forssmann, haben einen akademischen Hintergrund; der SV Waldhof ist stolz auf seine Tradition als Arbeiter-Verein.
Als der ASC Neuenheim gegründet wurde, war der SV Waldhof auf dem Weg in die Bundesliga. Am Samstag treffen die ungleichen Vereine im badischen Pokal- Halbfinale aufeinander. Ist im noblen Neuenheim schon das Fußballfieber ausgebrochen?
Die Vorfreude ist groß. Das Spiel ist das wichtigste Ereignis in unserer Vereins-Geschichte.
In jüngster Zeit hört man viel Positives vom ASC Neuenheim. Was sind die Gründe für den Aufschwung?
Als wir vom Sportzentrum Süd auf die andere Neckarseite umgezogen sind, hatten wir 150 Mitglieder. Inzwischen sind es 700. Der FußballCampus, der mit Hilfe der Dietmar-Hopp-Stiftung und der Stadt Heidelberg für 3,5 Millionen Euro entstanden ist, hat einen Boom ausgelöst. Die Hälfte unserer Mitglieder sind Kinder und Jugendliche. Wir verfügen über mehr als 30 gut ausgebildete Jugendtrainer.
Das Ende der Fahnenstange ist noch nicht erreicht.
Wer einen Uli Brecht als Cheftrainer holt, der strebt nicht Mittelmaß an. Unser Saisonziel ist es, um die ersten beiden Plätze in der Landesliga mitzuspielen; das ist unser Anspruch.
Weil im reichen Neuenheim genug Geld da ist, behaupten einige Leute.
Uns fällt nichts in den Schoss. Medien-Chef Joseph Weisbrod und Ex-Trainer Alexander Stiehl haben ein Marketing-Konzept erarbeitet. Wir haben an die hundert mittlere und kleine Sponsoren.
Das Pokalspiel hätte ohne die Einschränkungen wegen Corona eine willkommene Einnahme beschert.
Ins Mannheimer Rhein-Neckar-Stadion wären vermutlich rund 7 000 Zuschauer gekommen. Wir hätten mit annähernd 30 000 Euro rechnen können.
Bei nur 300 zugelassen Zuschauern – es gibt keine Tickets im offenen Verkauf – legt der Verein drauf?
Wir halten uns an das Hygienekonzept, das Investitionen erfordert. In diesem Zusammenhang freuen wir uns, dass am Samstag zum ersten Mal unsere neue Lautsprecher-Anlage zum Einsatz kommt; davon profitieren wir länger. Offen ist der Betrag, den der ASC Neuenheim als Halbfinalist vom Verband erhält.
Dieser Betrag würde sich kräftig erhöhen, wenn der ASC Neuenheim das Finale am Samstag in einer Woche im Dietmar-Hopp-Stadion in Hoffenheim erreicht. Falls der Landesligist Pokalsieger wird, gäbe es eine stattliche Belohnung von rund 110 000 Euro.
Nicht zu unterschätzen ist auch, dass das badische Endspiel bundesweit im Fernsehen zu sehen ist. Aber wir reden über Luftschlösser. Schon ein Sieg gegen den SV Waldhof wäre die Sensation schlechthin.
Ein bisschen bekannt wurde der Verein, der lange in den untersten Klassen spielte, bereits durch die Pokal-Auslosung in der ARD Sportschau.
Moderator Alexander Bommes nahm Bezug auf den Namen: Anatomie-Sport-Club. Er sagte: "Stark! Die wissen, wo sie hintreten müssen!” Wir waren 1978 eine Studenten-Mannschaft. Die meisten hatten mit dem anatomischen Institut zu tun. Deshalb der Name.
Der Kontrast zum SV Waldhof mit seiner Tradition als Arbeiterverein könnte nicht größer sein.
27 unserer 28 Gründungsmitglieder kamen aus dem akademischen Bereich. Im Fußballkreis Heidelberg sind wir vermutlich der Verein mit der höchsten Promovierten-Dichte. Ich sage das ohne Wertung und schon gar nicht mit Arroganz. Aber glauben Sie mir: Unsere Fußball-Begeisterung ist genau so groß wie bei Nicht-Akademikern.
Was muss passieren, damit am Samstag eine Überraschung glückt?
Ein Wunder. Es wäre gut, wenn wir lange ein 0:0 halten würden. Unser Torwart Dominik Sandritter so stark hält wie in den letzten Spielen, und unsere Stürmer selbst die kleinste Chance nutzen.
Sie sind promovierter Naturwissenschaftler. Sie können sicher die Wahrscheinlichkeit eines Neuenheimer Sieges bis auf die zweite Stelle hinterm Komma beziffern.
(lacht) 0,01 Prozent. Vielleicht ein bisschen mehr, wenn wir einen der doppelstöckigen Busse, wie sie durch London fahren, vor unser Tor stellen.
RNZ 12.08.2020, Seite 21