Aufstellung des ASC Neuenheim
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Tore
2 Karten für Neuenheim
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Fast eine Stunde lang schien die ältere Dame, die auf den Zuschauerplätzen tief in ihr Kreuzworträtsel versunken war, die spannendere Unterhaltung zu haben als die zahlreichen Augenzeugen des Stadtteilderbys im Fußballcampus Heidelberg. Doch dann entwickelte sich ein mitreißender Pokal- und Lokalthriller, der das Publikum für die bisherige blut- und ereignisarme Darbietung der Kreisliga- Nachbarn mehr als entschädigte. Unter der dominanten Leitung des manchmal zu kommunikativen Schiedsrichters Dirk Schwanke fehlte vor allem im Mannschaftsgefüge der Gastgeber noch die Feinabstimmung. Kein Wunder: Mit Tim Friesendorf, Florian Kohlmann, Sebastian Prior, Marcel Schmidt und Florian Wörner waren nicht weniger als die Hälfte unter den Feldspielern – wenn auch vielversprechende – Neuzugänge in der Startformation.
Die Torhüter hatten zunächst reichlich Zeit für ein Sonnenbad. Ein harmloser Kopfball von ASC-Routinier Daniel Toma (6.) und ein Schüsschen von TSV-Neuner André Genthner (18.) waren in der spröden Anfangsphase die einzigen "Bedrohungen" für die Keeper Nico Göllinger (TSV) und Burak Polat (ASC). Um so überraschender die Führung für die laufstarken Hendsemer Löwen, die sich bis dahin auf die Verteidigung ihres Reviers fokussiert hatten. Offensivmann Tim Brückner nutzte einen Sonnenstich in der ASC-Abwehr beherzt zum 0 :1 in der 23. Minute. Erst kurz vor der Pause hatte der Ex-Löwe Sebastian Prior nach einem frechen Solo den Neuenheimer Ausgleich auf dem flinken Fuß (42.).
Das krankheits- bzw. verletzungsbedingte Fehlen von Schlüsselspielern wie dem Kreisliga-Torschützenkönig Serdar Özbek und Kreativmann Boris Gatzky kompensierte die Mannschaft von Trainer Alexander Stiehl mit zunehmender Dauer durch einen unbändigen Team- und Kampfgeist. Angetrieben von Kapitän Vincenzo Terrazzino, der mit einem erstaunlichen Aktionsradius und brandgefährlichen Standards beeindruckte, und im Mittelfeld strukturell verstärkt durch den lange verletzten aufrechten Gaucho Juan Pablo Valdez, verdienten sich die Neuenheimer den Ausgleich in der 83. Minute mehr als redlich. Und da machte es der unermüdliche ASC-Capitano Vincenzo Terrazzino wie sein Landsmann Andrea Pirlo. Er zirkelte einen Freistoß im Stile des italienischen Maestro aus 20 Metern über die TSV-Mauer in den rechten oberen Torwinkel. Bravissimo!
In der Verlängerung wurde die Hitzeschlacht noch dramatischer. Der ASC war trotz Wochenend-Trainingslager erstaunlicherweise auch konditionell überlegen und erarbeitete sich Torchancen, oft durch Kopfbälle, fast im Minutentakt. Doch wieder ging der vom neuen Trainer Horst Bender kompakt auf- und eingestellte Nachbar aus heiterem Himmel in Führung. Markus Marksteiner konnte es selbst vor Glück kaum fassen, dass seine verunglückte Flankenrakete vom rechten Flügel über ASC-Torwart Burak Polat hinweg im langen Eck einschlug (99.). Umso wichtiger, ja Gold wert für den Reifeprozess und das Zusammenwachsen der neuformierten Stiehl- Mannschaft, dass sie auch diesen Rückschlag charakterstark wegsteckte und auch noch in der Verlängerung die psychische und physische Kraft für den erneuten Ausgleich aufbrachte.
Unbändig war der Jubel, als ausgerechnet der jüngste Neuenheimer mit einem Geniestreich das 2:2 ins Löwennetz zauberte. Der in der 80. Minute eingewechselte, sofort für frischen Wind sorgende Wirbelstürmer Konstantin Doerr hämmerte eine präzise Kopfballvorlage von Co-Trainer Dean Vukovic mit einer geradezu götzig-akrobatischen Symbiose aus Ballmanagement und Seitfallzieher unter die Querlatte. Und jeder gönnte diesem echten Neuenheimer Eigengewächs über dieses Traumtor mit Seltenheitswert – zumindest im Amateurfußball. Kurz vor dem Ende der Verlängerung fast noch das 3:2. Doch Neuenheims neuer Krieger Florian Wörner verfehlte mit seinem Energie-Flugkopfball an die Latte den verdienten Siegtreffer nur um Haaresbreite (119.).
Der Elfmeter-Showdown war dann vor allem eine Frage des Kopfes und der Fitness. Obwohl sie es nach diesen 120 Minuten eigwentlich gar nicht sein konnten, wirkten die ASC-Schützen taufrisch, eiskalt und hochkonzentiert. Vincenzo Terrazzino, Tim Friesendorf und Emmanuel Smarsly verwandelten ihre Elfer jeweils hart und genau ins Eck. Da die TSV-Exekutanten gleich drei Elfmeter verschossen, einer davon prächtig gehalten von ASC-Torwart Burak Polat, zieht der ASC Neuenheim verdient in die zweite Runde des Heidelberger Kreispokals ein. Dort wartet am nächsten Sonntag kein Geringerer als Kreisliga-Topfavorit FC Bammental auf die Stiehl-Elf. Der Vizemeister warf den TSV Pfaffengrund mit 4:2 aus dem Pokalwettbewerb.
Der ASC Neuenheim II verlor das zeitgleich ausgetragene Testspiel beim TB Rohrbach II knapp mit 1:2. Den Führungstreffer für den ASC erzielte keiner der vielen Unbekannten im Neuenheimer Perspektivteam. Vielmehr war der Spielertrainer und ASC-Rekordtorschütze Timo Mifka der abgezockte Torschütze zum 0:1 in der 51. Minute.
Joseph Weisbrod