Aufstellung des ASC Neuenheim
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Tore
Karten für Neuenheim
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Hermann Hesse im "Glasperlenspiel": "Und jedem Anfang wohnt ein Zauber inne, der uns beschützt und der uns hilft, zu leben." Bei der Saisonpremiere des ASC Neuenheim wehte in manchen offensiven Szenen tatsächlich ein Hauch von Fußballzauber über den gepflegten Rasen des Waldstadions. Dem VfB Wiesloch hingegen half auch nicht der charmante Zauber von Weinkönigin Daniela, die bei ihrem symbolischen Anstoß mehr Gefühl im zierlichen Fuß zu haben schien als mancher Akteur danach im Spiel.
Wie heißt es weiter in Hesses Gedicht?: " Nur wer bereit zu Aufbruch ist und Reise, mag lähmender Gewöhnung sich entraffen." Bevor das neu komponierte ASC-Team von Trainer Matthias Hohmann sich an das lähmende Anfangsgekicke gewöhnt, raffen die technisch und taktisch reiferen Anatomen sich auf. Gleich die erste gefährliche Angriffsaktion bringt die Gästeführung. Nach dem knappen Scheitern von Boris Gatzky am stark reagierenden VfB-Keeper Tobias Schmidt schlägt Kapitän Mathias Riedsel den ersten Neuenheimer Eckball in den Strafraum. Daniel Toma rammt den Ball unbewacht und unbarmherzig mit dem Kopf unter die Querlatte (14.).
Neun Minuten später schickt der mit allen Azzurri-Wassern gewaschene Neuzugang Vincenzo Terrazzino seinen umtriebigen Capitano auf die italienische Reise. Mathias Riedesel rennt flugs den Stiefel runter und passt kurz vor dem Torwart uneigennützig auf den rechts mitgelaufenen Serdar Özbek. Der Torjäger tut, was ein echter Torjäger eben so tut und schiebt den Ball zum 2:0 einfach über die Linie (23.).
Auch nach dem Wechsel sind für’s Einschenken beim Wieslocher Winzerfest vor allem die gewieften Oberkellner aus Heidelberg zuständig. Kaum hat der insgesamt überzeugende Schiedsrichter die Partie wieder angepfiffen, erhöhen die nun auch läuferisch besseren Gäste das Tempo. Einen famosen Querpass von Neuenheims Klassezehner Boris Gatzky in die Strafraummitte nimmt Mathias Riedesel eng am Fuß mit, taxiert ungerührt den VfB-Torwart und schiebt den Ball am bedauernswerten Tobias Schmidt vorbei ins linke Eck.
Auch am nächsten Neuenheimer Gourmettreffer ist der Neuzugang aus Reutlingen, der einst in der Jugend des VfB Stuttgart mit Kollegen wie Samy Khedira (Real Madrid) und Andreas Beck (1899 Hoffenheim) den Rasen teilte, als brillanter Vorbereiter beteiligt. Seinen Freistoß-Lupfer aus dem Fußgelenk hebt der eingewechselte Angreifer Stefan Holter aus kürzester Distanz ebenso feinfühlig über den VfB-Torhüter (61.). Dass der Ball sich so jäh herab hinter die Linie sinkt, wirkt wie eine optische Täuschung und ein physikalisches Phänomen.
Zu ihrem ersten Ehrentreffer kommt die junge Mannschaft von VfB-Trainer Raffael Hermida wie die Jungfrau zum Kinde. Mindestens drei Meter wandeln die beiden Wieslocher im klarsten Abseits, ehe der erst 19jährige VfB-Angreifer Christian Klein das kluge Zuspiel seines Kollegen zum 1:4 abschließt (62.) Da die Neuenheimer Defensivabteilung in manchen Situationen noch durchaus konfus "hamoniertt", kommen die Roten sogar noch auf 2:4 heran. VfB-Routinier und - Kapitän Ortwin Wultschner ist in der 79. Minute der Nutznießer einer bedenklichen Nachlässigkeit. Letztlich aber sind die beiden VfB-Tore nicht mehr als zwei wertlose "Glasperlen" auf dem Ergebniskonto.
Denn auf die kreative, schwer zu bändigende Offensivkraft der Neuenheimer ist Verlass. Mathias Riedesel künstelt einen Freistoß über die VfB-Mauer unnachahmlich flach ins rechte Eck (81.). Danach lenkt der - fußballerisch häufig eingebundene - ASC-Torwart Burak Polat an seinem 20. Geburtstag eine Wieslocher Freistoßrakete wie ein erfahrener Meisterflieger über die Querlatte (83.).
Der Wein ist nun gelesen. Die letzten Trauben für sein überlegenes Team erntet Stefan Holter nach einem süffigen Steilpass von Mathias Riedesel. Der eingewechselte Doppeltorschütze umkurvt Torwart Tobias Schmidt, trotz der vielen Gegentore noch der Beste beim VfB, und vollendet abgezockt das halbe Dutzend für seine Mannschaft (87.).
Für die Jungs vom VfB Wiesloch, der am Vorsonntag an gleicher Stätte noch den Landesliga-Absteiger SG Dielheim mit 4:0 abgefüllt hatte, war diese deftige Niederlage schmerzhaft. Das gewaltige Kabinen-Donnerwetter des sonst so besonnenen VfB-Trainers Rafael Hermida war danach jedenfalls fast bis zum Riesenrad auf der nahen Festwiese zu hören.
Der ASC Neuenheim kann mit dem nicht glanzvollen, aber torreichen Auftaktsieg mehr als zufrieden sein und am nächsten Samstag um 16.00 Uhr gegen den FC Dilsberg sein Heimdebüt "feiern" – vielleicht sogar im eigentlichen Sinne des Wortes.
Joseph Weisbrod