Spruchkammer Heidelberg

Urteil-Nr.: SK HD/H/120/05
Vorsitzender der Spruchkammer HD
Manfred Maier
Klingenwaldstr. 25
69242 Mühlhausen
Tel:06222/63439
Fax:/61206

In der Sportrechtssache aus dem Kreis-Pokalspiel SpVgg Neckargemünd gegen ASC Neuenheim am 27.04.05 hat die Spruchkammer Heidelberg in der Besetzung: Maier, Egner und Mechler am 09.05.05 folgenden Urteil gefällt:

  1. Das Verfahren gegen den 1. Vorsitzenden Dr. Werner Rupp und zugleich gegen den Verein ASC Neuenheim wegen verschuldeten Spielabbruchs nach der Strafbestimmung 12 wird nach § 21 Ziffer 3 RVO niedergeschlagen.
  2. Die Kosten des Verfahrens in Höhe von 40,- Euri trägt die Kreiskasse (§ 32 Ziffer 1,2,+9 RVO; § 13 Ziffer 3 FO).

Begründung zu Urteil Nr. HD/H/120/05

Nach dem ausführlichen "Sonderbericht" des SR vom 29.04.05 und dem Schreiben (Stellungnahme) der SpVgg Neckargemünd (E.-Fax:02.05.05) sowie dem fernmündlichen Vortrag des Pokalspielleiters bestand der Verdacht, dass der 1. Vorsitzende des ASC Neuenheim durch die Weigerung, das Kreispokal-Halbfinale auf einem Ausweichplatz (Hartplatz) mit Flutlichtanlage in Neckargemünd fortzusetzen, einen Spielabbruch nach der Stb. 12 verschuldet habe.

Daraufhin wurde noch am 02.05.05 der SR zur Klärung noch offener Fragen seitens der Kammer nochmals angeschrieben. Insbesondere ging es der Kammer hierbei um die Frage, ob der "Sonderbericht" eine "Anzeige" im Sinne des § 16a Ziffer 1a RVO sei - ohne deren die Kammer ja nicht tätig werden könne.

Nachdem dies im Antwortschreiben vom 30.04.05 (E: 01.05.05 -Fax) vom SR bejaht wurde, ging am 02.05.05 die Einleitung des Verfahrens und die Bitte um Stellungnahme an den ASC Neuenheim `raus.

Tatbestandsprüfung:
Im Wesentlichen geht es im vorliegenden Verfahren um die Abklärung zweier Problemkreise:

  1. Ist es nach der Spielordnung oder den DFB-Fußball-Regeln möglich, das Spielfeld innerhalb eines Spieles zu wechseln - oder ist es untersagt? Gibt es eine Ausnahmebestimmung?
  2. Wurde seitens der beiden Vereine die Zustimmung zum angestrebten Platzwechsel ausdrücklich gegeben?

Zu 1.:

Nach ausführlicher Prüfung aller hier vorhandenen Unterlagen konnte der SK-Vorsitzende keinen einzigen Hinweis in der Spielordnung (SpO) und im DFB-Fußballregel-Heft, einschließlich der hierin enthaltenen SR-Anweisungen finden, die einen Platzwechsel wegen einbrechender Dunkelheit (Lichtverhältnisse) regeln.

Geregelt ist in der SpO des BFV in § 20, dass "im Notfall" auch ein nicht neutraler amtlicher

SR oder gar ein nicht amtlicher SR ein Pflichtspiel leiten kann und dies zu werten ist, wenn sich die Spielführer vor Spielbeginn einigen und auf dem Spielberichtsbogen dies vermerken und unterschreiben.

Über das Spielfeld gibt es in § 16 SpO zwar klare Anweisungen über bespielbare und nicht bespielbare Plätze und dass ein amtlicher SR zur Schonung des Platzes für eine in Konkurrenz spielende Mannschaft das Vorspiel abbrechen darf - jedoch kein Hinweis auf obige Problematik.

In den Anweisungen des DFB zur Fußball-Regel 5 ist zwar bestimmt, wie sich ein SR zu verhalten hat, wenn ein Spiel wegen Witterungsverhältnisse unterbrochen wurde, aber kein Hinweis darauf, dass der SR ein vorhandenes Ausweich-Spielfeld auf dessen Bespielbarkeit zu prüfen hat um dort ggf. das Spiel fortzusetzen. Dies - obwohl ausdrücklich betont wird, dass alle zumutbaren Mittel auszuschöpfen sind, das Spiel fortzusetzen...

Rechtsauskünfte:

Um "Nummer sicher zu gehen", wurde der Verantwortliche für den Spielbetrieb im BFV, Kamerad S. Müller befragt, ob ein Platzwechsel während eines Spiels möglich ist. Dieser verneinte, könnte sich aber vorstellen, dass im Falle des schriftlichen Einverständnisses vor Beginn des Spiels durch beide Vereinsvertreter dies im absoluten Ausnahmefall `mal möglich sein könne... Ein vergleichbarer Fall sei ihm nicht bekannt.

Daraufhin wurde der langjährige und erfahrene ehemalige VSRO Heinz Morlock um Rat befragt. Sowohl Morlock wie auch anschließend der Lehrwart im DFB, Kamerad Eugen Striegel, stellten klar heraus, dass "schon immer" den SR gelehrt werde, dass ein Spiel auf dem Platz, auf dem es begonnen wurde, zu beenden ist und dass ihnen keine Ausnahme-Regelung zu einem Platzwechsel bekannt sei. Eine Quelle für diesen Lehrsatz konnte dem SK-Vorsitzenden aber keiner benennen.

Als Letztes wurde auch noch das Verbandsgericht nach evtl. ergangenen richtungweisenden Urteilen befragt. Nachdem sich aber weder Kamerad Schilling als auch Kamerad Lahres an einen vergleichbaren Fall erinnern konnten, wurde der "im Ruhestand befindliche" langjährige ehemalige Urteilsprüfer Werner Miltner aus Dossenheim befragt. Auch nach ausgiebiger Nachforschung in seinem "Privatarchiv" konnte er keinen vergleichbaren Fall finden, teilte aber ausdrücklich ebenfalls die Rechtsauffassung von Morlock und Striegel.

Abschließend zu 1.:

Es besteht Übereinstimmung aller "Experten" darüber, dass es einen seit Jahrzehnten gültigen Rechtssatz gibt, wonach ein Platzwechsel generell nicht möglich ist. Die Kammer wird in obiger Rechtsauffassung bestärkt, betrachtet man die DFB-Anweisungen für die SR bezüglich eines durch Witterungsverhältnisse während des Spieles unbespielbar gewordenen Platzes. Hier wird zwar eine Wartezeit und die erneute Prüfung des zuvor bespielten Platzes geregelt - nicht jedoch die Möglichkeit, einen Ausweichplatz (Zweitplatz) zu begutachten, ob dieser vielleicht bespielbar sei... Schon hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer, dass der Satzungsgeber und der DFB einen Platzwechsel nicht vorsehen.

Zu 2.:

Aus den vorliegenden Schreiben des SR geht hervor, dass er vor dem Spiel lediglich vom Kameraden Brunner, SpVgg Neckargemünd, eine mündliche Bereitschaft zum evtl. Platzwechsel erhalten hat. Dieser habe ihm auch berichtet, dass seitens des ASC N. durch den Kameraden Hoppart (nach Aussage des Vorsitzenden Dr. Rupp ist Hoppart der Co.-Trainer des ASC...) eine Bereitschaft zum Platzwechsel bei einer evtl. notwendigen Verlängerung des Spieles bekundet worden sei. Direkt habe er seitens des ASC vor dem Spiel von niemand ein Einverständnis bekommen.

Vorstehende Angaben decken sich mit den Angaben der SpVgg Neckargemünd vom 02.05.05.

Der SR stellt aber klar heraus, dass nach Ende der regulären Spielzeit beide Spielführer ihm gegenüber in einer "unmißverständlichen Willensäußerung" ihre Bereitschaft zum Platzwechsel (auf den Hartplatz mit Flutlicht) gegeben hätten.

Erst durch das Eingreifen des Vorsitzenden auf dem Weg zum Hartplatz habe er die gegenteilige Willensäußerung durch den ASC erhalten. Dies deckt sich in etwa mit der Stellungnahme des 1. Vors. des ASC. Der ASC legt aber Wert auf die Feststellung, dass ihr Spielführer Thomas Pasch seine Zustimmung vor dem Spiel nie gab. Der Spielführer sei "nach Abpfiff der regulären Spielzeit vom SR in Kenntnis gesetzt worden, sinngemäß: "Beide Vereine haben sich ja geeinigt, deswegen wird das Spiel auf dem Hartplatz fortgesetzt"

Daraufhin sei der Spielführer fragend zum Rest der Mannschaft an die Außenlinie gekommen, wo sich auch der 1. Vorsitzende befand. Hier sei er "zum erstenmal über diese Situation informiert worden"... - so der 1. Vorsitzende, der zugleich Spielausschussvorsitzender ist. Daraufhin habe er die Mannschaft über eine Fortsetzung entscheiden lassen und das negative Ergebnis dem SR sofort mitgeteilt. Der habe aber zunächst auf dem Sportplatzwechsel bestanden und erst als der 1. Vorsitzende ganz offiziell zu verstehen gab, dass "der ASC N. keine Vereinbarung getroffen habe und von seinem Recht Gebrauch mache, dem Sportplatzwechsel nicht zuzustimmen", habe der SR das Spiel nicht wieder angepfiffen.

Rechtliche Würdigung durch die Kammer:

Somit steht für die Kammer fest, dass es keine Rechtsgrundlage für einen Sportplatzwechsel während eines laufenden Spiels gibt. Andererseits besteht aber seit Jahrzehnten ein allgemein anerkannter und praktizierter Lehrsatz, dass das Spiel auf dem Platz, auf dem es begonnen wurde, auch beendet werden muss.

Ein Einverständnis des ASC Neuenheim gegenüber dem SR zum Sportplatzwechsel lag - zumindest bis zum Ende der regulären Spielzeit - nicht vor. Sollte der Spielführer des ASC N. hier, bei Ende der reg. Spielzeit, einverstanden gewesen sein - was seitens des ASC bestritten wird - so wurde dieses Einverständnis spätestens nach Rücksprache mit der Mannschaft und dem 1. Vorsitzenden zurückgenommen. Diese Rücknahme des mündlichen Einverständnisses ist nach Auffassung der Kammer möglich. Evtl. anders zu bewerten wäre ein schriftliches Einverständnis vor Beginn eines Spieles... Dies steht im vorliegenden Falle aber nicht zur Debatte.

Damit war der Vorwurf des verschuldeten Spielabbruchs gegen den ASC Neuenheim und damit auch gegen seinen 1. Vorsitzenden nicht aufrecht zu erhalten.

Das Verfahren war somit niederzuschlagen und in der Folge das Spiel durch die Kreispokal-Spielleitung nach der SpO neu anzusetzen.

Abschließend sei bemerkt, dass das Verfahren gezeigt hat, dass

  1. eine klare Regelung dieser Rechtsmaterie in der SpO des BFV vorgenommen werden sollte (evtl. in Anlehnung an § 20 Ziffer 5 SpO oder auch ein generelles Verbot des Platzwechsels - ohne Ausnahme!?);
  2. das SR-Gespann nicht (vollständig-) rechtzeitig angereist und relativ unvorbereitet und hektisch ins Spiel ging;
  3. der gastgebende Verein nicht vorausschauend sofort den mit Flutlicht ausgestatteten Hartplatz als Spielfeld angeboten hat, was aufgrund der Erfahrungen zu erwarten war, da wenige Wochen zuvor schon einmal ein Spiel wegen einbrechender Dunkelheit in Neckargemünd abgebrochen wurde, und dass nach den Angaben des SR der notwendige Trikotwechsel beim Gastgeber zu viel Zeit in Anspruch nahm, so dass das Spiel insges. etwa 15 Minuten später als geplant begann...

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SpVgg Neckargemünd
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