10 jähriges Jubiläum

Zum 10 jährigen Jubiläum Aufstieg in die Kreisliga A

ASC Neuenheim : vom Lehrling zum Meister

 
Heidelberg. Am 17.August 1978 stellte die RNZ den zehn Tage zuvor im Vereinsregister des Amtsgerichts Heidelberg eingetragenen "Anatomie-Sport-Club Neuenheim" ihren Lesern vor. Überschrift: "Heidelberger Anatomie vom Fußballfieber befallen". Ins Leben gerufen wurde der ASC von Mitarbeitern des Anatomischen Instituts Heidelberg, dessen Leiter Prof. Dr. Wolf-Georg Forssmann nicht nur den Vereinsvorsitz übernahm, sondern auch auf dem Spielfeld kräftig mitmischte.

"Nicht Tabellenletzter werden und auch mal ein Spiel gewinnen", war das erklärte Ziel des neuen Vereins vor dem Start in die Saison 1978/9 der Kreisliga B. Doch daraus wurde nichts: "Anatomen am Skalpell sicherer als am Ball" mußten die ASC-Aktiven nach ihrem mit 0:3 gegen Frauenweiler verlorenen ersten Punktspiel in der Zeitung lesen, "ASC Neuenheim weiter Punktelieferant" einige Wochen später. Aber es gab auch Silberstreifen am Horizont, wie man der ausführlichen Vereinschronik entnehmen kann: "Neuenheimer Bollwerk  hielt beinahe" - so eine aufmunternde RNZ-Schlagzeile nach einer knappen Niederlage. Der Saisonhöhepunkt wurde bereits am Ende der Vorrunde erreicht: Ein sensationelles 1:1-Unentschieden gegen den Tabellenführer Sandhausen 1b, den dieser Punktverlust schließlich die Meisterschaft kostete. Die Bilanz am Ende der ersten Meisterschaftsrunde: 3:49 Punkte, 16:98 Tore, 41 in der 1.Mannschaft eingesetzte Spieler - und drei Trainer, die - wohl ein Rekord - in einer einzigen Saison das Handtuch geworfen hatten.

Sepp Grädler ist einer von denen, die damals die schwere Bürde des Traineramtes auf sich luden, weil er "das Elend nicht mehr mit ansehen konnte". Er erinnert sich: "Solange es ja warm und hell war, war die Trainingsbeteiligung auch ansprechend. Doch leider war es keine Ausnahme, da8 wir mit drei Mann auf dem Platz standen. Einmal, an einem Karfreitag, war ich sogar allein auf weiter Flur. Und sonntags bei den Spielen? "Da mußte ich den Schiedsrichter oft bitten, noch zehn Minuten mit dem Anpfiff zu warten, denn es war ja immerhin möglich, daß sich zu den neun anwesenden noch in letzter Sekunde ein weiterer Spieler gesellte." Wobei man zur Ehrenrettung anfügen muß, daß die Struktur des Aktivenkaders die Durchführung des Spielbetriebes nicht eben erleichterte. Die "Mediziner" in der Mannschaft hatten ihren Sonntagsdienst oder weilten auf Kongressen, und die Intemationalität des Spielerkreises - u. a. ein Jordanier, ein Afrikaner, ein Italiener und drei Griechen - trug nicht nur zu einer gelegentlich unorthodoxen Spielweise, sondern auch zu manchen Problemen bei der sonntäglichen Mannschaftsaufstellung bei.

Auch in der Saison 1979/80 wurde der ASC seinem Image als Prügelknabe der Heidelberger Kreisliga B gerecht. Aber nicht Stagnation oder gar Resignation, sondem systematische und kreative Aufbautätigkeit prägte die Vereinsarbeit. Wohl kaum ein Ereignis in der Vereinsgeschichte wurde so "holländisch" ausgelassen gefeiert wie der erste Sieg in einem Pflichtspiel: Am 23.3.1980, 21 Monate nach der Vereinsgründung, wurde der TSV Gauangelloch mit 2:1 nach Hause geschickt. Da wackelten die Wände im Clubhaus des HSC, auf dessen Anlage der ASC auch heute noch trainiert und spielt. Dieser Sieg war zweifellos eine Wohltat für die strapazierte Psyche der Aktiven. Vnd wenn man bedenkt, daß es wesentlich ältere Vereine gibt, die nicht selten Jahrzehnte am Tabellenende herumkrebsen, so war es schon ermutigend, daß der ASC Neuenheim bereits am Ende der Saison 1980/81 nicht mehr die ungeliebte "rote Laterne" trug und sich Schritt für Schritt vom Punktelieferanten zum ernsthaften Gegner der Kreisliga-B-Mannschaften entwickelte.

Doch für positive Schlagzeilen im regionalen Fußballgeschehen sorgten zunächst nicht die "Alten", sondern die Jugendabteilung des Vereins. In die Saison 1980/81 startete der ASC mit einer D- und E-Jugend, 1981/82 mit einer F-, D-und C-Jugend. Wobei es den für die Jugendarbeit Verantwortlichen erklärter maßen nicht in erster Linie darauf ankam, mit den Mannschaften möglichst gute Tabellenplätze zu erreichen. Vielmehr wurde Wert darauf gelegt, daß die Kinder ihren Spaß am Fußballspielen fanden bzw. bewahrten. Auch wenn es paradox klingen mag: Vielleicht haben Jugendmannschaften des ASC deswegen überdurchschnittliche Leistungen gebracht, weil kein Leistungsdruck ausgeübt und statt dessen das spielerische Element in den Vordergrund gerückt wurde bzw. wird. So waren die hervorragenden Plazierungen so mancher ASC-Nachwuchsjahrgänge der willkommene Nebeneffekt einer einfühlsamen und engagierten Jugendarbeit, die den Spieltrieb der Kinder nicht hemmt, sondern mit der fußballerischen Ausbildung verbindet.

Bereits in der Hallenrunde 1981/82 wurde die neue F-Jugend Sieger in ihrer Staffel und belegte bei der Kreismeisterschaft gemeinsam mit dem SV Sandhausen den 3.Platz. Im Jahre 1985 wurde der ASC Neuenheim vom Badischen Fußballverband mit der Sepp-Herberger-Urkunde "für eine besonders bemerkenswerte Jugendarbeit" ausgezeichnet. Der ganz große Durchbruch gelang dann im Spieljahr 1986/87 der F-Jugend, die erstmals die" Hallen-Kreismeisterschaft erkämpfte und bei der Badischen Meisterschaft bis ins Endspiel vordrang, sich aber dem SV Waldhof Mannheim mit 1:2 nach Verlängerung geschlagen geben mußte.

Auch in diesem Jahr konnte die F-Jugend die Kreismeisterschaft erringen. Die .erfreulichen Ergebnisse der ASC-Jugendarbeit sind wegen eines erheblichen Standort-Nachteils um so bemerkenswerter: Der ASC hat seinen Platz auf der städtischen Anlage im Sportzentrum Süd. Die Jugendspieler rekrutieren sich jedoch großenteils aus dem weit entfernten Neuenheim, so daß der Transfer zu Training und Spielen mit einem enormen Zeit- und Organisationsaufwand verknüpft ist. Hier hat sich die Anschaffung eines Mannschaftsbusses längst amortisiert.
Es ist kein Zufall, sondern das Zwischenresultat einer gezielten Vereins- und Personalpolitik, daß der ASC Neuenheim im 10.Jahr seines Bestehens auch den größten Erfolg seiner jungen Vereinsgeschichte feiern kann: die Meisterschaft in der Kreisliga B, Staffel 1. Mit fünf Punkten Vorsprung hatte der ASC Neuenheim die starke Konkurrenz am Ende klar distanziert. Es war lange Zeit ein spannendes Duell an der Spitze mit dem Lokalnachbarn Heidelberger SC, der bis Mitte der Rückrunde kein einziges Spiel verloren hatte, letztendlich aber gegenüber einem ASC Neuenheim den kürzeren zog, der auch in kritischen Phasen fest an seine Chance glaubte und auf seine Stärke vertraute.

Ein Erfolgsgeheimnis ist sicherlich, daß der ASC Neuenheim - verglichen mit anderen unterklassigen Vereinen - professionell geführt wird, Meister werden wollen viele. Aber die Voreussetzungen so zu gestalten, daß es fast schon klappen muß dazu bedarf es mehr als Engagement und Enthusiasmus. Mit dem Gründungsmitglied und langjährigen Aktiven Werner Rupp, einem promovierten Chemiker, hat der ASC einen Vorsitzenden mit Führungsqualitäten, der Ziele nicht nur setzen, sondern auch konsequent realisieren kann, der - neben Leib und Seele - vor allem seinen Verstand in den Verein investiert. Gemeinsam mit dem harten Kern, der sich schon in den frühen ASC-Jahren bildete, hat er sich die Aufgabe gestellt, den Verein "nach oben" zu bringen. Ein Mann vom Kaliber eines Arthur Wirth, nordbadisches Fußballdenkmal und Mitglied jener legendären "HSV-Killermannschaft" VfB Eppingen, würde wohl kaum in der Kreisliga spielen, wenn er nicht seinen Spaß dabei hätte und sich im Verein wohlfühlte. Und so ist er nicht nur der große Antreiber, sondern auch so etwas wie die Seele der Mannschaft, an dem sich gerade die jüngeren Spieler immer wieder ein Beispiel nehmen können.

Außerdem ist es dem ASC-Vorstand vor Jahresfrist gelungen, mit Peter Solert einen Spielertrainer zu verpflichten, der die in höheren Klassen erworbenen fußballerischen Weihen effektiv in den Dienst der Mannschaft stellt, ein hervorragendes Training praktiziert und die Spieler mit seinem bedingungslosen Engagement und Siegeswillen zur Meisterschaft führte. Zweifellos ist das Erreichen des größten Erfolges in der Vereinsgeschichte ein Sieg der ganzen Mannschaft. Das Tüpfelchen auf dem "I" eines Jubiläumsjahres, in dem einfach alles paßte, lieferte die 2.Mannschaft, die ebenfalls den Meistertitel eroberte.

Allen Fußballfreunden, die das "ASC" in der Vereinsbezeichnung fälschlicherweise mit "Akademiker-Sport-Club gleichsetzen, sei übrigens gesagt, daß der Anteil dieser Spezies zwar immer noch relativ hoch, aber keineswegs so zu interpretieren ist, als seien Nichtakademiker etwa unwillkommen. Im Gegenteil: "Der Verein steht prinzipiell jedem Fußballinteressierten offen". Ein Wort des Vereinsgründers, ehemaligen 1.Vorsitzenden und heutigen Vorstandsmitglieds Prof. Dr. Wolf-Georg Forssmann aus dem Jahre 1978, das in der Praxis insofem eingelöst ist, als inzwischen zahlreiche "Nichtstudierte" im Verein mitwirken. Wenn den ASC-Verantwortlichen etwas schlaflose Nächte bereitet, dann die Ungewißheit, wo man langfristig sein sportliches Domizil haben werde. Nicht zuletzt die Stadt ist gefordert, zu einer Lösung dieses dringenden Problems eines jungen hoffnungsvollen Vereins beizutragen.

Joseph Weisbrod

Bilder zum Jubiläum