Aufgebot des ASC Neuenheim
Die alte Sepp-Herberger-Weisheit, nach der ein Spiel 90 Minuten (bei der AH: 80) dauert, vergaßen die ASC-Oldies bei diesem Evergreen. Denn Sekunden vor dem Abpfiff gelang dem VfB in einer verrückten Achterbahn-Partie der glückliche Ausgleich nach einem unerwarteten 0:3-Rückstand zur Pause.
Leimen trat mit seinem ganzen Staraufgebot an und schien seiner Favoritenrolle zunächst gerecht werden zu können. Doch nach etwa zehn Minuten hielt der ASC, bei dem Werner Rehm verletzungsbedingt ausfiel, dagegen und wagte sich seinerseits in die Offensive. Trainer Rolf Rehms taktischer Schachzug, Stammlibero Werner Lux ins Mittelfeld zu beordern und den bereits zuvor bei der "Zweiten" über die komplette Spielzeit marschierten Werner Mierisch mit der Abwehrorganisation zu betrauen, zahlte sich schon bald aus. Der unternehmungslustige Lux sorgte für viel Druck und bereitete die Neuenheimer Führung lehrbuchmäßig vor. Er tankte sich auf der linken Außenbahn bis zur Grundlinie durch und flankte präzise vor das VfB-Tor. Der erneut gut aufgelegte Harald Kuck hielt elegant den langen Fuß hin und spitzelte das Leder unhaltbar ins rechte Eck.
Kurz darauf schickte Lux seinen Stürmer Josch Weisbrod, dem die bei der ASC-Reserve absolvierten 90 Minuten sichtlich in den übersäuerten Muskeln steckten, mit einem schönen Steilpass auf die Reise. Dessen Press-Schlag mit dem VfB-Keeper landete vor den hunrigen Beinen von Kalif Deyan, der bei seinem gelungenen AH-Debüt seelenruhig sein erstes Tor exekutierte und wenig später sogar auf 0:3 erhöhte. Während die VfB-Spieler sich in der Halbzeitpause gegenseitig lautstark die Leviten lasen, spekulierten einige im gelbblauen ASC-Dress nur noch über die Höhe des Sieges. Ein klassischer Fall von "Bärenfell verteilt, bevor das Viech erlegt ist".
Offenbar hatte das Machtwort von VfB-Leitwolf Kai-Uwe Kalischko gewirkt. Leimen wirkte nun wesentlich konzentrierter und zielstrebiger. Schon kurz nach dem Wiederanpfiff des ausgezeichneten jungen Schiedsrichters klingelte der Postmann zum ersten Mal bei Omar am Tor. VfB-Schlitzohr Wolfgang Reinhard köpfte stilistisch einwandfrei unter die Latte. Nicht genug: Der 2:3-Anschlusstreffer war wie eine Kopie des vorangeggangen Kopfballtores. Wieder hatte Schädel-Wolf genau gezielt. Inzwischen mischte Richard Bender im Neuenheimer Mitttelfeld strategisch mit und zirkelte eine Vorlage von Josch Weisbrod wunderbar ins lange Eck. Das schönste, weil raffinierteste Tor des Tages. Doch erneut kam Leimen durch einen Kopfball - ausnahmsweise mal nicht von Reinhard - auf 3:4 heran.
Die Leimener Aufholbemühungen hätten nichts genutzt, wenn Bernd "Pfännle on tour" Fischer, ja wenn dieser zweifellos verdienstvolle AH-Würden und Leistungsträger mit den vielen goldenen Abzeichen auf der sonnigen Tribüne geblieben wäre. So aber schritt er verhängnisvoll zur Tat, als der Schiedsrichter nach einem Strafraum-Foul an Josch Weisbrod auf den Elfmeterpunkt deutete. Er lief an und schob den Ball, nicht ohne einen spitzen Begleitlaut des Entsetzens, präzise am linken VfB-Pfosten vorbei. Leimens Goalie Kalischko, der die Ecke aus langjähriger Kenntnis der Gewohnheiten des Schützen ohnehin erahnt hatte, konnte sich ein breites Grinsen nicht verkneifen.
Statt des entscheidenden 3:5 fiel - siehe oben - in letzter Minute der Ausgleich für Leimen. Zur Ehrenrettung Fischers sei gesagt, dass die AH auch jede Menge andere Chancen zum endgültigen Knockout für den VfB versiebte. Nach dem Duschen war alles wieder gut. Bernd hatte mit einem Kasten Bier sein verdientes Schmerzensgeld entrichtet. Fazit: Acht Tore in einem Spiel: Handballherz - was willst Du mehr?
Josch Weisbrod