Samba-Festival Coburg 1999

Coburg im Samba-Fieber

Zwei Umzüge begeisterten Zuschauer

Coburg (ne). Was Berlin mit seiner Love Parade kann, kann Coburg schon lange: Nämlich eine Zahl an Besuchern in die Stadt holen, die die eigene Einwohnerzahl um ein Mehrfaches übersteigt.

Gleich zwei Samba-Umzüge mit insgesamt über 2000 Teilnehmern lockten in diesem Jahr Scharen von Menschen in die City. Schon lange vor Beginn säumten die Samba-Fans die Straßen, in denen die Sambistas erwartet wurden. So zog in diesem Jahr der kleinere Zug von insgesamt 17 Gruppen die Mohrenstraße hinauf zum Schloßplatz, angeführt vom Publikumsliebling "Hopp dä Bäsä".
Wer noch nicht wußte, daß die Schweizer zum letzten Mal hier in ihre Riesen-Trompeten blasen würden, der konnte es schwarz auf weiß - nein, weiß auf schwarz - auf dem Rücken ihrer T-Shirts lesen: "The last gig in Coburg!" Traurig, aber wahr. Ihnen folgten bunt gemischt heimische und auswärtige Samba-Formationen: Morenas, Samba Ba-Tu, Banda Sol da Bahia und die Coburger Samba-Colorido sowie die Musikschule Coburg.

Der zweite Samba-Zug von insgesamt 30 Gruppen nahm seinen Weg vom Viktoriabrunnen über die Judengasse zum Markt, wo vor der Bühne die Moderatoren Chris Amrhein und Alexandra Pesold halfen, die Stimmung anzuheizen.

Viel Anstrengung war dabei allerdings nicht nötig, die Hitze lag bereits in der Luft, und aufgespannte Schirme sah man höchstens gelegentlich, um einen darunter befindlichen Samba-Fan vor dem Sonnenstich zu bewahren.

Den Zug führte eine eher außergewöhnliche Truppe an. "Die Samba-Gruppe der Polizei hat leider ihre Tambourine vergessen ..." kündigte Amrhein die Herren in Uniform an.

Aber die verstanden Spaß und machten den Weg frei für die eigentliche Anführerin, die diesjährige Samba-Queen Jacqueline Santana.Die Brasilianerin hatte sich am Tag zuvor als beste Samba-Tänzerin profiliert. Konnten sich die männlichen Zuschauer an ihrer Schönheit und der anderer Tänzerinnen erfreuen, so schlugen Frauenherzen mit Sicherheit höher beim Anblick der schokobraunen Tänzer um Paulo Lopes.
Aber egal, welche Samba-Gruppe vorbei trommelte - ob Sambalabim, die Samba-Läuse, die Roten Pfoten oder die neue Coburger Gruppe Tucurui, um nur einige zu nennen - alle erhielten kräftigen Beifall von den bis zu sechs Reihen hintereinander stehenden Zuschauern.
Ein bißchen gesitteter als in Berlin ging es übrigens zu: Es wurde kaum eine Straßenlaterne oder eine Ampel bestiegen. Die beste Aussicht genoß mit Sicherheit die Taube auf dem Kopf vom steinern - unbewegt blickenden Herzog Ernst...
Während der Umzüge selber ging es, was Unfälle betrat übrigens sehr ruhig zu. Dafür hatten die Einsatzleitungen von BRK und Polizei in der Nacht zuvor alle Hände voll zu tun. Einige Notfallfahrten wurden fällig, alkoholbedingt zum einen, zum anderen aufgrund von Schnittverletzungen, vor allem durch zerschlagene Flaschen und Gläser. Das große Sambadromo auf dem Schloßplatz -Auftritt aller teilnehmenden Gruppen auf der Bühne - forderte noch einmal alle Energiereserven von Trommiern und Tänzern heraus.

Etwas Love-Parade und viel Sambafieber

Samba-Königin 1999 : Exotik und Ästhetik

Coburg (tdh). ,,Wer den Samba nicht mag, ist kein guter Mensch, der hat etwas am Kopf oder ist fußkrank", so das Motto des Coburger Samba-Wochenendes.

Viele Samba-Süchtige tanzten sich am Samstag nacht in Extase, feierten die Samba-Königin oder umjubelten die Tanzshow von Paulo Lopes. Ganz Coburg wurde bis Tagesanbruch zum Sperrbezirk der schlechten Laune.

Frenetischer Trommeiwirbel und aufreizende Tänzerinnen boten den richtigen Rahmen für die mitreißende Show im Kongreßhaus Rosengarten. Im Mittelpunkt der dreistündigen Nonstopdarbietung stand der Lambada-Weltmeister Paulo Lopes mit seiner Gruppe ,,Energia Bahia". Mitbewundernswerter Leichtigkeit wirbelten die Brasilianerinnen in Dutzenden von farbenprächtigen Kostümen über die Bühne, so daß ein pures Feuerwerk an Lebensfreude entstand. Unterbrochen durch die faszinierende Akrobatik der Capoeristas, zeigte sich, daß Samba mehr sein kann als dumpfes Klopfen. Der Capoeira ist mehr als der ursprüngliche Tanz afrikanischer Sklaven. Bis heute gilt er als Ausdruck und Symbol der Farbigen im Kampf gegen Diskriminierung und Unterdrückung.

Der sanfte Samba im Kongreßhaus lockte auch Ältere an. "Es hat sich wieder gezeigt, daß Samba nicht nur etwas für junge Leute ist, sondern ein Fest aller Generationen - ein dickes Lob an Paulo Lopes", sagte Pressesprecherin Simone Rahn. Über 1000 Gäste feiertcn am Berliner Platz ihre eigene, kleine Love-Parade im Rhythmusrausch. Lopes brachte weit nach Mitternacht das ganze Kongreßhaus zum Tanzen.

Einen Straßenzug weiter, in der Dreifachturuhalle am Anger, wurde zur gleichen Zeit ebenfalls getanzt. 18 Amateur-Tänzerinnen, darunter eine Deutsche, rangen um den Titel der "Rainba de Bateria", der Samba-Königin. "Beurteilt wurden besonders Tanz und Ausdruck, daß heißt die Schnelligkeit, die Balance, die Sicherheit und die Bewegung in verschiedenen Körperebenen", erklärte Rahn.

Die farbenprächtigen Kostüme flossen ebenfalls in die Wertung, beurteilt von einer deutsch-brasilianischen Jury, ein. Kurz vor drei Uhr stand die Siegerin fest: Jacqueline Santana mit der Startnummer 14 erhielt den mit 1000 Mark dotierten Preis.

"Auch nächstes Jahr wollen wir wieder den Preis 'Rainha de Bateria' vergeben, dem Wettbewerb aber noch mehr Stellenwert einräumen", hieß es seitens der Organisatoren.

Als die Partystimmung in der Innenstadt langsam abebbte, ging es in der Angertumhalle erst richtig los. Sie entpuppte sich als Treff für Samba-Hungrige. Bis gegen halb sechs tanzten sie, immer von neuem angespornt durch den holländischen Samba der Gruppe "Medicamento".

Neue Presse Coburg, Montag 12.Juli 1999, Seite 5 und 6
Photos : Hans Blischke